Unsere Hinterkaifeck Facebook-Gruppe

Monat: Dezember 2022

  • Josef Gabriel der Schwager von Viktoria Gabriel

    Wo fängt die Geschichte an und wo hört sie auf?

    Josef Gabriel wurde am 22.03.1891 in Laag bei Waidhofen geboren, von Beruf war er Metzger. Über seine Jugend ist mir nichts bekannt, aber Viktoria dürften die Gabriel – Brüder gut gekannt haben. Er diente seit Anfang des ersten Weltkriegs als Stabsordonanz, somit hat er persönlich nicht viel auf den Schlachtfeldern erlebt. Wo er nach dem ersten Weltkrieg gearbeitet hat, ob zu hause oder auswärts als Metzger ist mir unbekannt. Er taucht erst wieder auf, als er von der Erbengemeinschaft am 22.09.1922 Hinterkaifeck samt Inventar und Ländereien erwirbt.

    StdA Wbg./Inn (Stadtarchiv Wasserburg a. Inn) WA 03.10.1922-S.2

    Schrobenhausen. Der Hinterkaifecker Hof, dessen letzte Bewohner bekanntlich ermordet worden sind, ging an den Bauernsohn Karl Gabriel (Richtig; Josef Gabriel) über. Man sagt, dass er 3 Millionen Mark zahlte; allerdings gehören auch 3 Tagwerk schlagbarer Wald zum Anwesen.

    Neuanfang in Rettenbach

    Im Jahre 1924 kaufte Josef Gabriel das Gasthaus Neuwirt in Rettenbach bei Wasserburg mit Metzgerei. Der Grund war die Wirtschaft in Rettenbach war viel erschwinglicher als eine Wirtschaft in Dachau, so sagte es mir J. G. in einem Gespräch vor ein paar Jahren im Gastraum beim Neuwirt in Rettenbach. Umgemeldet hat sich Josef Gabriel etwas später.

    Josef Gabriel

    Bei meinen Recherchen bin ich auf Balthasar Eichner geboren am 25.11.1871 in Rettenbach bei Wasserburg gestoßen. Zufall das Josef Gabriel in Rettenbach sich eine neue Existenz aufbaute? Von Beruf Landwirt war er von 1919 bis 1924 Mitglied der BVP im bayerischen Parlament. Neben seiner Funktion als Ernährungsbeirat war er im Ausschuss zur Untersuchung des Vorwurfs gegen Organe der Polizeidirektion München wegen Organisation zur gewaltsamen Beseitigung von Menschen (29.10.1920) Mitglied 2 WP 1920 – 1924.

    Im gleichen Zeitraum war Sebastian Schlittenbauer geboren am 21.Januar 1871 in Wolnzach, Gründungsmitglied der BVP. Dort übernahm er als Vertreter des sogenannten Bauernflügels fast völlig Georg Heims Wirkungsbereich dessen enger Vertrauter und Mitarbeiter Schlittenbauer war. Obwohl er keine wichtigen Parteiämter bekleidete und innerhalb der Fraktion oft eine Minderheitenmeinung vertrat, war Schlittenbauer eine dauerhafte Größe der BVP und 1928 statt Heinrich Held für das Amt des bayerischen Ministerpräsidenten im Gespräch. Von 1913 – 1933 war er Generalsekretär des Bayerischen Bauernvereins, zu seinem Wahlbezirk gehörte auch Schrobenhausen.

    Josef Gabriel wurde Jahre später in einem Untersuchungsgefängnis zu Hinterkaifeck verhört, aber ohne nennenswerte Ergebnisse. Gestorben ist Josef Gabriel am 11.02.1969 im Alter von 78 Jahren.

  • Wann spricht man von Wucher?

    Um einen Preis als Wucher zu bezeichnen, muss er mindestens doppelt so hoch sein

    Im Bericht vom 06.04.1922 hat Oberinspektor Georg Reingruber folgendes vermerkt.

    Dass die Ermordeten in der letzten Zeit größere Verkäufe abgeschlossen oder Geldbeträge vereinnahmt hätten, ist nicht bekannt. Das Getreide vom vergangenen Jahr ist noch vorhanden.

    G.Reingruber

    In einem Schreiben an sämtliche Landesregierungen vom 7.12.21 führt der RWiM zur Aufgabe der Kommissionen aus: „Die Aufgabe dieser Kommissionen besteht darin, geeignete Persönlichkeiten zur Mitwirkung bei der Preisprüfung und insbesondere zur Feststellung von Preistreibereivorgängen zu entsenden. Zu diesem Zweck muss ihnen Gelegenheit geboten werden, sich über alle Aufgaben der Preisprüfungsstellen zu unterrichten, Wahrnehmungen aus Verbraucherkreisen und Vorschläge vorzubringen und zum Gegenstand der Beratung zu machen. Die Auswahl der Mitglieder dieser Kommissionen bedarf besonderer Sorgfalt. Sollen sie ihre Aufgabe erfüllen, so werden sie vor allem vom Vertrauen der minder kaufkräftigen Volksschichten getragen werden müssen. Die Auswahl wird daher aus den Kreisen der Gewerkschaften, Konsumgenossenschaften, der Hausfrauenvereine als ehrenamtlich tätige Beauftragte […] zu erfolgen haben.“ (R 43 I /1246. BL. 220 f.)

    https://www.bundesarchiv.de/aktenreichskanzlei/1919-1933/0101e/wir/wir1p/kap1_2/kap2_161/para3_1.html

    Warum war in Hinterkaifeck dass ganze Getreide vorhanden? War es nur Saatgetreide oder spekulierte man durch die einsetzende Inflation auf einen überzogenen, abgehobenen Preis? Man musste nicht verkaufen und war in einer sehr guten Ausgangslage.

    Mehltruhe

    Vielleicht bringt ein Zeitungsartikel von Anfang Februar 1922 etwas Licht in die Getreide- Spekulationen.

    Der Wucherteufel

    Wie uns von auswärts berichtet wird, war dieser Tage die Gendarmerie W. damit beschäftigt, bei den Bauern in unserer Umgebung zwangsweise das Umlage Getreide einzutreiben. Diese Kurzsichtigkeit einzelner Bauern ist sehr zu bedauern. So weit sollte es ein Bauer gar nicht kommen lassen, weil er dadurch zeigt, dass er gar kein Verständnis hat dafür, wie groß und gefahrvoll die Not seiner Mitmenschen für uns alle und auch für ihn ist.

    Der Bauer sollte nie vergessen, dass der Wolf anpackt, wenn er Hunger hat.

    Wasserburger Nachrichten/Anzeiger

    Und wenn die Menschen in den Städten nichts mehr zu nagen und zu beißen haben, dann treibt sie der Hunger aufs Land hinaus. Was dann geschieht, das haben wir in Russland gesehen. Raub, Mord und Brandstiftung. Der gute Bauer, der seiner Pflicht immer nachgekommen ist und richtig ablieferte, muss dann auch darunter leiden. Darum sollen die Bauern selbst eingreifen und ihren Standesgenossen, den der Wucherteufel am Bande hat, ganz gehörig die Meinung sagen, denn er zieht sie mit ins Unglück hinein. Ein anderer Bauer, der 50 Zentner abgeliefert hatte und noch 7 Zentner abliefern sollte, kam zum Amt und jammerte, dass wenn er die 7 Zentner noch abliefern müsste, er das Getreide selbst kaufen müsse. Die Gendarmerie recherchierte und fand weit mehr als 100 Zentner Getreide bei dem Bauern vor. Eine solche Handlungsweise ist nicht menschlich, geschweige christlich. Zudem haben jene Bauern, bei denen das Umlage Getreide zwangsweise eingetrieben werden muss, selbst den aller größten Schaden, denn sie erhalten dann nicht mehr den Höchstpreis von 105 Mark für den Zentner Korn, sondern nur 57 Mark – Wir müssen in der furchtbar ernsten Zeit alle zusammen helfen, sonst gehen wir alle miteinander unter, denn wenn der Himmel einfällt, dann sind alle Spatzen tot, der Bauer nicht ausgenommen.

    08.02.1922

    Die Ablieferung des Umlage-Getreides. Bekanntlich muss das Umlage-Getreide bis 23. Januar 1922 aufgebracht sein. In Bayern ist die Landwirtschaft – dank der Mitarbeit aller beteiligten Kräfte – ihrer Lieferpflicht bisher in sehr erfreulicher Weise nachgekommen, so dass am 01.Januar 1922 im Landesdurchschnitt bereits 86,6 % der Gesamtumlage aufgebracht waren.


    In Oberbayern 78,4 %
    In Niederbayern 86,2 %
    In der Pfalz 94,7%
    In der Oberpfalz 84 %
    In Oberfranken 88,5 %
    In Mittelfranken 95,2 %
    In Unterfranken 95 %
    In Schwaben 95,7 % ( Hinterkaifeck?)

    28.01.1922