Monat: Oktober 2023

  • Was schon Agatha Christie über Rechtsmedizin wusste

    Die Forensik-Expertin Carla Valentine erzählt oder vielleicht sollte ich sagen, führt in ihrer Art durch die faszinierente Geschichte der Rechtsmedizin. Sie bedient sich dabei der Romane Agatha Christies und sie begleitet dabei Ermittler wie Miss Marple und Hercule Poirot. Anhand verschiedener Fälle beweist Carla Valentine, dass Agatha Christie schon lange vor der modernen Forensik in Fingerabdrücken, Blutspuren und Schusswunden bewandert war. Vielleicht sind deshalb Agatha Christies Kriminalromane zeitlos und bis heute glaubhaft und authentisch. In einer Einleitung einer 2014 erschienen Ausgabe von – Der Wachsblumenstrauß, schreibt die britische Autorin Sophie Hannah, Agatha Christie

    … versteht die Verdorbenheit, die Unbarmherzigkeit und die gefährliche Schwäche der Menschen. Sie weiß alles über verzerrte Vorstellungswelten, lang gehegten Groll, qualvolle Bedürfnisse; all ihren Romanen liegt eine Vertrautheit mit den Nachtseiten der menschlichen Psyche zugrunde.

    Poirots Persönlichkeit ist widersprüchlich. Doch das rührt vermutlich von seiner allumfassenden Genialität. Zwischen Genie und Wahnsinn ist nur ein kleiner Spalt. Wenn es ihm passt, ist Poirot keineswegs abgeneigt, herumzuschnüffeln und den Zigarettenstummel und das heruntergefallene Streichholz aufzusammeln. Er ist so selbstsicher und selbstgefällig, dass er sich selbst widerspricht, wann immer ihm danach ist. Vielleicht ein Querschuss, um mal ordentlich die Ermittlungsarbeit in Frage zu stellen, oder Poirot einen anderen Ansatz braucht. Ich liebe Sätze wie:

    Genaueres kann ich ihnen erst sagen, wenn er bei mir auf dem Tisch liegt. Wie lange brauchen Sie? Zeitdruck schaffen, ein Schnüffler wie ein Hercule Poirot ist ein Rennpferd in Sachen Aufklärung.

    In Carla Valetines Buch gibt es für jeden Hobbykriminalisten bestimmt etwas über Fingerabdrücke, Materialspuren, Forensische Ballistik, Dokumente und Handschriften, Autopsie und noch vieles mehr. Ob es leicht zu lesen ist? Es ist geschmacksache jedes einzelnen und wie schmückt ein Autor seine Geschichten aus, überraschen lassen.

    Hier eine Leseprobe.

    https://www.book2look.com/book/9783426303009

    Eines noch, die sich mit dem Mordfall Hinterkaifeck beschäftigen.Die Ansicht von Frederick Treves aus dem Buch von Carla Valentine regt mich zum Nachdenken an.

    Auch wenn der Tatort von größter Bedeutung ist, gilt es bei forensischen Ermittlungsarbeiten, viele verschiedene Facetten zu berücksichtigen. In Kurz vor Mitternacht beklagt Kriminologie-Experte Frederick Treves den Umstand, dass Detektivgeschichten meist mit einem Mord beginnen, dieser seiner Meinung nach jedoch das Ende der Geschichte markieren müsste: »Die Geschichte beginnt lange davor. Manchmal Jahre davor – mit den Ursachen und Ereignissen, die bestimmte Menschen zu einer bestimmten Zeit an einem bestimmten Tag an einen bestimmten Ort verschlagen [… ]

    Frederick Treves
  • Der Raubmord an dem Wirt Johann Harlander

    Am Dienstag dem 05. Oktober 1920 stand im Rosenheimer Anzeiger ein kleiner Bericht, der aber die Menschen beidseits der Grenze aufhorchen lies. Der allseits beliebte Gastwirt von Wildbichl Herr Johann Harlander ist gestern in den frühen Morgenstunden einem schnöden Raubmörder zum Opfer gefallen. Als er früh 6:00 Uhr mit zwei Pferden und Wagen nach Kufstein fahren wollte, um Wein und größere Einkäufe zu besorgen, wurde er eine halbe Stunde von Wildbichl entfernt am Gehölz vom Obersteinhäusl von einer unbekannten Person überfallen, die ihm jedenfalls nach vorausgegangenem heftigen Kampf tödliche Messerstiche in den Rücken und in die Armschlagader beibrachte. Nachdem sich der Mörder seines Geldes mit der Uhr bemächtigte, verwickelte er den Unglücklichen in die Räder des Wagens, um einen Unglücksfall vorzutäuschen. Der so plötzlich aus dem Leben gerissene Herr Harlander stand im besten Mannesalter von 30 Jahren und hinterlässt eine ihm erst im vorigen Jahr angetraute Gattin mit einem unmündigen Kinde. Den Hinterbliebenen wendet sich allseitige Teilnahme zu.

    Der Zeitungsartikel vom Samstag dem 09. Oktober 1920 beschreibt die Beerdigung des Opfers, dass sogar Leute aus Hohen- und Niederaschau auf bayerischer Seite zur Beerdigung nach Niederndorf gekommen sind. Es wird in dem Artikel auch ein dringend der Tatverdächtiger Holzkneckt präsentiert. Jetzt ist nicht mehr von einem Messer die Rede sondern von einer Hacke, mit dem der Täter sein Opfer erschlug. Auch das geraubte Geld und das Tatwerkzeug konnte bisher nicht gefunden werden. Am Mittwoch dem 13. Oktober 1920 schrieb der Rosenheimer Anzeiger, es ist wohl nicht mehr daran zu zweifeln, dass man in der Person des A. den Mörder des Wirtes von Wildbichl ergriffen hat. A. ist ein amtsbekannter Wilderer und Schmuggler. Nach der Tat fand man in seinem Rucksack eine blutbefleckte Hose.

    Bei einem Gespräch mit einer Nachfahrin von Johann Harlander kristallisierten sich noch einige Details heraus. Der Täter hat im Gasthaus musiziert, er war sehr gut bekannt, man konnte nicht ahnen, dass er zu so einer Tat fähig war. Er wurde im Gefängnis von einem Mithäftling oder Mithäftlingen erschlagen. Er soll noch drei andere Raubmorde begangen haben, die er wahrscheinlich kurz vor seinem Tod einem Gefängniswärter gestanden hat. Die Gedenktafel wurde wegen einer Weg Verbreiterung entfernt, ich hoffe, dass sie eines Tages wieder am selben Ort aufgestellt wird, wo das Verbrechen 1920 begangen wurde.