• Zum 100. Todestag der Opfer von Hinterkaifeck

    Ein Besuch in Waidhofen

    Wegweiser Waidhofen
    Wegweiser Waidhofen

    Bereits gestern sind wir, mein Mann und ich, in Waidhofen im Gasthof Bogenrieder angekommen. Zunächst sind wir ans Marterl gegangen, dort sind diese Fotos entstanden:

    Dann waren wir auf dem Friedhof und haben am Grab den Opfern gedacht.

    Grab am Friedhof
    Grab am Friedhof

    Danach haben wir unser wunderschönes Zimmer im Gasthof Bogenrieder bezogen und später ein sehr gutes Abendessen bei bester Stimmung genossen.

    Heute Abend werden wir dann an der Sonderveranstaltung anlässlich des 100 Jahrestages der Mordnacht im Gasthof Bogenrieder teilnehmen.

    Eingebunden in ein Viergängemenü, das sich am überlieferten Speiseplan des Waidhofen der 20er Jahre orientiert, wird Hans Fegert seinen frühen Hinterkaifeck-Film vorführen. Der im Rahmen eines Projekts des Ingolstädter Schmalfilm Club 1981 entstandene Kurzfilm stellt in Interviews und szenischen Einspielern den Fall Hinterkaifeck vor.

    Wir werden berichten, wie es war. Ich bin jedenfalls sehr gespannt und freue mich darauf.

  • Rezension des Buches „Nicht nur ein Mord“ von Mathias Petry

    Nicht nur ein Mord

    Auf das Buch „Nicht nur ein Mord“ von Mathias Petry wurde ich durch einen Beitrag des Autors selber in der Hinterkaifeck-Gruppe auf Facebook aufmerksam. Ich habe es mir in der Kindle-Version zugelegt.

    Dort bekommt man ja (vermutlich je nach Einstellung, das weiß ich nicht genau) angezeigt, wie lange man in etwa an dem Buch zu lesen hat und ich war etwas irritiert, denn innerhalb von guten zwei Stunden sollte das Buch ausgelesen sein können. Nun gut, Länge alleine sollte ja nicht ausschlaggebend sein, meine Kurzgeschichten „Wie es wirklich war“ und „Des Xaverl wars“ hier zeichnen sich ja auch nicht durch übermäßige Länge aus.

    Bereits im ersten Kapitel weist Mathias Petry darauf hin, dass er viele Informationen aus der Internet-Seite hinterkaifeck.net entnommen hat. Auch ich habe schon in Archiven geforscht, nicht nur, aber auch in Sachen Hinterkaifeck – Blut und Wasser hat da sicherlich niemand schwitzen müssen, wie vom Autor auf Seite 10 kolportiert. Unbestritten hat hinterkaifeck.net aber ein umfassendes Archiv. Um so mehr erstaunt es, dass der Autor, der von sich selber behauptet, er hätte als Journalist gelernt, wie Recherche geht, in seinem Buch aus Andreas Gruber einen hoch gewachsenen Mann mit annähernd 190 cm Körpergröße machen kann, hätte doch eine kurze Recherche ergeben, dass Andreas Gruber mit 165 cm eher geringer Körpergröße war. Diese unlogischen Vorgänge finden sich aber leider an mehreren Stellen dieses Buches. Ich frage mich beispielsweise, warum der Oberleutnant Mehnert, Handamputiert, seine Rechte Hand benötigt, um den linken Armstumpf in der Manteltasche zu verstauen. Das würde zusätzlich zur Amputation auch noch auf eine Parese des linken Armes deuten und ich halte es für ausgeschlossen, dass jemand mit solchen körperlichen Einschränkungen noch als dienstfähig eingestuft worden wäre. Dann wage ich hier mal eine Vermutung: Mathias Petry war nie bei der Bundeswehr. Anders sind mir der Lapsus bezüglich der Szene des ersten Zusammentreffens des Oberleutnants mit seinen zwei Vasallen und den Bewohnern von Hinterkaifeck nicht erklärbar. Oder wie soll ich mir vorstellen, dass die beiden Soldaten ihre Waffen zwar im Anschlag (aber noch nicht durchgeladen, das erklärt sich erst weiter unten), aber nicht auf die Menschen im Hof gerichtet hätten. Auf wen dann? Auf den Oberleutnant himself? Auf die Stallwand? Den Acker? Wäre es nicht viel sinnvoller gewesen, wenn die Soldaten die Hinterkaifecker im Auge behalten hätten, statt mit ihren Waffen im Anschlag in der Gegend herumzuglotzen? Nach dem verbalen Schlagabtausch der beiden Parteien sollen sich dann der Oberleutnant mit seinen Soldaten Richtung Hexenholz zurückgezogen haben, und dabei haben die Soldaten ihre Waffen durchgeladen. Und mit den durchgeladenen Waffen sind sie dann ihrem Anführer nachgetapert. Ganz ehrlich, das hat was von Slapstick und Monty Python, aber leider so gar nichts von Recherche. Im Kapitel 4 schreibt Petry dann, dass die Soldaten der Reichswehr am Morgen erneut in das Gehöft einsickern möchten. Nur – bisher waren sie noch gar nicht irgendwo eingesickert, sondern haben sich eben mit den Hinterkaifeckern vor dem Stall unterhalten.

    Weiter geht es im Text. Unter der Woche wird auf Hinterkaifeck, denen oft Geiz unterstellt wird, Kaffee getrunken. Und Gruber hat Flugzeuge versteckt. Aber gut, das sei der künstlicherischen Freiheit des Autors geschildert.

    Leider hat der Autor auch wenig Ahnung vom bäuerlichen Leben. Beispielsweise unterstellt er auf Seite 22 dem Andreas Gruber, dass er für den kleinen Josef die Kindsmagd geben hätte müssen. Der Bauer selber, obwohl seine ältere Frau sicherlich auch im Haus beschäftigt war. Da antworte ich auch mal mit einem Nicht-Satz: Never ever!

    Und dann der Dialog zwischen Andreas Gruber und Viktoria Gabriel, in dem die Tochter dem Vater eröffnet, dass sie aus ihrem „erbärmlichen Leben“ fliehen und mehr vom Leben als nur Arbeit haben möchte. Andreas Gruber entgegnet ihr darauf hin: „Du? Schau dich doch einmal an. Du bist eine Bäuerin und sonst gar nichts. Du bist als Bäuerin geboren, und du wirst als Bäuerin in deiner Grube enden.“ Ich schäme mich an dieser Stelle fremd für den Autor und möchte mich bei allen Landwirten entschuldigen. Mir ist es durchaus bewusst, dass das Leben als Landwirt ein Leben in Unabhängigkeit und Selbständigkeit bedeutet und auch damals bedeutete. Im Gegenteil, der Bauernstand war und ist zu Recht stolz auf seinen Stand. Wer sich übrigens einen Einblick über das Leben in der Stadt in dieser Zeit verschaffen möchte, dem kann ich das Buch oder den gleichnamigen Film „Die Rumplhanni“ empfehlen.

    Es sind auch einfach inhaltliche Fehler enthalten, beispielsweise fällt auf Seite 38 der Satz „Die Mutter hat ihn (Anm.: den Hof) übergeben.“ Das stimmt natürlich nicht, es waren beide Eltern, denn seit dem Ehe- und Erbvertrag zwischen Andreas Gruber und Cäzilia Asam waren auch beide Eigentümer des Hofes.

    Auch dass die Grubers in der Fastenzeit ihren Schinken schon selber gegessen haben sollen, kann ich mir nicht recht vorstellen, aber es zeigt, dass der Autor leider wenig Einfühlungsvermögen für die damaligen katholischen Gegeben- und Gepflogenheiten hat.

    In dem Buch auf Seite 24 ist auch eine Szene zwischen Viktoria Gabriel und der Schwester der später getöteten Magd beschrieben, die die Vermutung aufkommen lassen könnten, dass sich die beiden Frauen intensiver zueinander hingezogen fühlen könnten als nur freundschaftlich verbunden. Frauen, die sich bei der Begrüßung umarmen, nachdem sie sich versichert haben, dass sie nicht beobachtet werden und die dann gemeinsam in einer Zeitung blättern, sich unterhalten und sich dabei noch vertraut an beiden Händen fassen können, waren damals mit Sicherheit nicht der Regelfall von sozialen Interaktionen zwischen zwei Frauen, die nach bisherigem Kenntnisstand keinerlei Berührungspunkte im Leben hatten, sondern sich erst durch die Arbeitsvermittlerin Rockesmüller kennengelernt haben. Warum sonst hätte sich die Schwester der Magd nicht gleich direkt an ihre Busenfreundin Viktoria wenden sollen, als sie eine Stellung für ihre Schwester suchte?

    Historisch lässt der Autor hier drei Soldaten der Reichswehr den Auftrag erfüllen, den Gruber, der die Reichswehr erpresst haben soll, zum Schweigen zu bringen, aber ohne Aufsehen. Fememord kommt also aus welchen Gründen auch immer nicht in Betracht. Gleichzeitig wundert es etwas, dass hier die Reichswehr selber vorgegangen sein soll, denn um solche Imponderabilien zu vermeiden, war es eben nicht die Reichswehr selber, die sich entgegen den Bestimmungen der Versailler Verträge verhalten hat, sondern es wurden entsprechende illegale paramilitärische Formationen heimlich mit Geld unterstützt. Es wäre also mitnichten darum gegangen, einen weiteren Krieg zu verhindern, wie der Autor auf Seite 16 behauptet.

    Literarisch ist das Werk gemischt. Einerseits finden sich wirklich schöne Formulierungen, andererseits erstaunte es mich, dass jemand mit journalistischer Ausbildung tatsächlich ein Buch mit solch Twitter-ähnlichem Duktus veröffentlicht. Bereits auf Seite neun erstaunt mich der Autor mit den Worten „Nichts muss. Alles kann.“, die mich sehr an Kontaktanzeigen mit eindeutig erotischem Inhalt erinnern. Auch eine Seite weiter finde ich das Ende des durchaus ansprechenden Absatzes über die verschiedenen Möglichkeiten der Blickwinkel mit dem Ergebnis, dass eins plus eins noch lange nicht zwingend zwei gäbe und dem dann folgenden Nicht-Satz „Aus Gründen.“ unpassend. Vielleicht erklärt diese Sichtweise des Autors auf für mich zwingende Schlussfolgerungen, wie 1 + 1 = 2, die vielen Logikbrüche in dem Buch.

    Zwischenrein muss man auch den Schmalztopf unter das Buch stellen, so schnulzig wird es. Beispielsweise könnte die Beschreibung von Franziska Gabriel, die Mutter des gefallenen Karl Gabriel und somit die Schwiegermutter von Viktoria Gabriel, zu Beginn von Kapitel acht auch direkt von Rosamunde Pilcher stammen. Und auch da – nach wenigen Sätzen – wieder ein logischer Fehler: Bei der Hochzeit von Viktoria und Karl Gabriel war der Inzest noch gar nicht gerichtsmäßig bekannt, die Anzeige dazu wurde erst Ende 1914 oder Anfang 1915 erstattet.

    Es gäbe noch viele Einzelheiten anzusprechen, die unlogisch, falsch oder schwer vorstellbar sind, aber das würde den Rahmen eines Blogartikels deutlich sprengen. Ich gebe zu, je länger ich las und um so mehr sachliche Fehler ich fand, desto uninteressanter fand ich das Buch insgesamt. Für mich muss ein Buch inhaltlich stringent sein, Beschreibungen von Szenen müssen so aufgebaut sein, dass ich einen innerlichen Film ablaufen lassen kann. Das ist bei dem Buch leider nicht gegeben, daher habe ich es mit zunehmender Seitenzahl auch zunehmend nur noch quer gelesen.

    Endgültig ausgestiegen bin ich, als in Kapitel zehn Karl Gabriel vom Deserteur (auch wenn er seine Marke gewechselt hat, war er ein Deserteur, zwar nicht mehr Karl Gabriel, aber Deserteur) im Jahr 1915 zum Ochsenmarktbesucher in Schrobenhausen im Jahr 1926 zum russischen Kommissar 1943 gewandelt hat ohne Erklärung von Mathias Petry, wie das zugegangen sein soll.

    Lustig auch die Schlussszene: Gruber versucht, ein Loch für die von ihm gemeuchelten Leichen im Stall auszuheben (das wurde auch schon in einem vorhergehenden Kapitel angesprochen). In einen – Zitat vom Autor – gefrorenen, steinharten Boden. So ein Boden in einem Stall ist nicht gefroren, Hinterkaifeck ist nicht in Sibirien, wo der Stall auf Permafrost errichtet worden wäre. Steinhart trifft es allerdings sehr gut. So ein Stallboden damals war verdichtet von den Klauen der darauf lebenden Tiere. Kühe wiegen gut und gerne mal eine halbe Tonne, haben relativ kleine Auflagefllächen auf den Paarhufen und verdichten somit über Jahrzehnte (so lange war da schon Stall) den Boden wirklich steinhart. Da beschickt man mit einer Schaufen nichts. Gar nichts. (Anscheinend mag ich den Duktus von Petry mehr als mir lieb ist).

    Das beste am dem Buch ist im letzten Kapitel zu finden. In der Tat finde auch ich es keinesfalls ausgeschlossen, sondern im Gegenteil gut vorstellbar, dass Reingruber von oben zum „Nicht-Ermitteln“ gezwungen worden war. Ist es ja schon merkwürdig genug, dass dieser Fall keinen Eingang in die Memoiren von Reingruber gefunden hat.

    Fazit: Ein gutes Buch zum Einstieg für Hinterkaifeck-Neulinge, allerdings nur unter Vorbehalt, denn der Eindruck, hier würden nur erwiesene Tatsachen beschrieben, ist leider völlig verkehrt. Für erfahrene Hinterkaifeckologien meiner Meinung nach rausgeworfenes Geld.

  • Des Xaverl wars – Teil 5

    So gingen Tag für Tag, Woche für Woche, Monat für Monat, ja sogar Jahr für Jahr ins Land.

    Eines Tages aber, es war schon im Jahr 1922, musste auch Xaver „seinen“ Bauernhof verlassen. Er hatte sich inzwischen gut eingelebt, er sprach fließend Russisch und er war der verwitweten Tochter des Bauern sehr zugetan und sie ihm. Aber es half nichts, die Kriegsgefangenen wurden alle aus der Kriegsgefangenschaft entlassen. An seinem letzten Abend auf dem Hof gab es ein emotionales und tränenreiches Abschiedsfest und ihm wurde mehrfach versichert, dass er jederzeit gern wieder kommen könne, wenn es ihm vielleicht in Deutschland doch nicht gefallen würde. Hier würde ihm immer ein warmes Bett und eine warme Suppe gereicht, und er können jederzeit wieder seinen Platz als Beinahe-Sohn einnehmen.

    Im März 1922 betrat er also wieder bayerischen Boden. Es war ein bedrückendes Gefühl, dort zu sein. Die Menschen waren verhärmt und verbittert, es war nichts von dem Enthusiasmus übrig geblieben, der zu Beginn des Krieges herrschte. Die Menschen hungerten, Verwundete des Krieges mussten bettelten, schrecklich entstellte Männer waren auf den Straßen zu sehen, manchen fehlte ein Bein oder beide, oder Arme, einige hatten auch Kopfverletzungen, die deren Gesicherter furchtbar entstellt hatten. Xaver betrachtete das mit einer Mischung aus Mitleid und Dankbarkeit dafür, dass er einerseits ohne Verwundung aus dem Krieg gekommen war und auch dafür, dass er es während seiner Zeit als Kriegsgefangener gar nicht so schlecht getroffen hatte.

    Endlich, nach vielen Tagen, kam er am elterlichen Hof an. Dort wurde er nicht, wie Erwartet, voller Freude empfangen, sondern er fand eine mürrische und verbitterte Mutter und einen desillusionierten Vater vor. Sein Bruder Stephan fiel am 21. Juli 1916 und er galt seit Juni 1916 als vermisst. Somit haben sich seine Eltern in den letzten vier Jahren damit abfinden müssen, dass sie drei von fünf wehrfähigen Söhnen an diesen Krieg verloren hatten. Sein Bruder Jakob war auch vermisst, kam aber nach 13 Monaten im Oktober 1918 aus Gefangenschaft wieder nach Hause. Es hatte also niemand mehr Hoffnung, dass Xaver Gabriel mehr als drei Jahre nach Kriegsende noch am Leben sein könnte. Sein Auftauchen riss bei seinen Eltern die Wunden der Trauer um ihre verstorbenen Söhne erneut wieder auf. Erschwerend kam auch noch hinzu, dass er bei seinen Berichten über den Verlauf seiner Gefangenschaft nicht verheimlichen konnte, wie sehr es ihm im Grund in Russland gefallen hatte und wie sehr ihm auch die Tochter des Bauern zusagen würde. Er wollte seine Erfahrungen im landwirtschaftlichen Bereich auch in den Hof seiner Eltern einfließen lassen, das stieß aber bei seinem Vater auf gar keine Gegenliebe, wo käme man denn hin, wenn er, der lange nicht da war, jetzt auf einmal sagen wollte, wo es lang ging.

    Von seinen Eltern und Geschwistern erfuhr er auch die neuesten Entwicklungen auf dem Hof Hinterkaifeck. Die Verurteilung und Bestrafung von Andreas Gruber und Viktoria Gabriel scheint keine tiefgreifende Änderung auf die beiden herbeigeführt zu haben. Nach wie vor war Viktoria die erste Spranistin im Chor und nach wie vor war Andreas Gruber in der Gemeinschaft der Gröberner und Waidhofer aufgenommen und angesehen, was auch seine Aufnahme in die Bürgerwehr bezeugte. Xaverl Gabriel war entsetzt darüber, er hatte sich das anders vorgestellt. Er wollte, dass die beiden leiden, weil sie seinem Bruder Karl soviel Unrecht angetan hatten.

    Er wollte auch sehen, wie es Viktoria heute geht und dazu wartete er auf sie nach der Chorprobe am Ausgang des Friedhofs. Sie wollte mit den anderen Frauen mitgehen, er hielt sie aber auf und sagte, er wolle sie begleiten und mit ihr reden. Sie wies ihn aber ab. Darauf wurde er so wütend, dass er sie als Flittchen beschimpfte. Das quittierte sie mit einer Backpfeife, wendete sich entschlossen ab und ging unbehirrt und erhobenen Hauptes ihres Weges. Xaver war so verdutzt, dass er sich erst mal sammeln musste. Ihr nachlaufen wollte er nun aber ganz gewiss nicht, das hätte einerseits zu weiteren Eskalationen führen können und wäre ihm auch gegen die Ehre gegangen.

    Nach dieser Begegnung dachte Xaver über sein weiteres Verhalten nach. Er war voller ambivalenten Gefühle gegenüber Viktoria. Er begehrte sie noch immer, sie war als gereifte Frau noch viel interessanter für ihn als als junges Mädchen. Andererseits entsetzte es ihn, dass sie einen illegitimen Sohn hatte – mit wem hatte sie es getrieben? Sie, die Witwe SEINES Bruders. Das machte man doch nicht – sie zog ja den Namen Gabriel mit in den Dreck. Seine Gedanken kreisten herum. Sie war so schön und so eine stolze Person. Schnell kam Xaver gedanklich auf die Ursache allen Übels – es war Viktorias Vater. Durch den Inzest hatte er sie gefügig gemacht. Ihr die Augen verschlossen für das, was richtig und falsch ist. Sie konnte nichts dafür, sie war ein Opfer. Sie musste gerettet werden. Und von da an war es nur noch ein klitzekleiner gedanklicher Schritt für Xaver, bis ihm klar wurde – natürlich, ER würde sie retten! Er würde sie heiraten, den Hof mit seinen neuen Ideen in eine rosige Zukunft führen (nicht, dass der Hof schlecht da stand, aber besser kann es ja immer werden), er würde seiner Nichte einen guten Mann suchen und auch den Bastard Josef weiter auf dem Hof dulden, er würde später einen guten Knecht geben. Auf dem elterlichen Hof hatte er nichts, er würde den Hof nicht überschrieben bekommen, das hat sein Vater ihm klipp und klar gesagt. Er würde also durch eine Heirat mit Viktoria ähnlich wie der Vater der immer noch angebeteten Viktoria, eine Bäuerin heiraten.

    Das musste er mit ihr besprechen. In seiner Gedankenwelt stellte er sich vor, wie sie sich freuen würde, wenn er ihr diese wunderbaren Zukunftsperspektiven unterbreiten würde. Klar war aber, er musste sie sprechen, ohne dass ihr Vater dabei war. Und er musste sie überraschen, denn nach der letzten Begnung am Friedhof wird sie sich kaum freiwillig mit ihm treffen. Freitag Abend also schlich er sich von Laag nach Hinterkaifeck, im Hexenholz konnte man gut in Deckung bleiben. Er verschaffte sich Zugang in den Stadel und wartete dort geduldig, bis er im Stall Viktoria hören würde. Bestimmt versorgte sie die Kühe alleine, Andreas Gruber sah das immer schon als eine seiner unwürdige Arbeit und Viktorias Mutter war bestimmt inzwischen zu alt dafür.

    Endlich hörte er sie. Er öffnete die Tür vom Stadel zum Stall und rief sie zu sich. Sie sah in wütend an, er flehte sie inständig an, er müsse mit ihr reden. Letztlich gab sie nach und folgte ihm in den Stadel. Dort bereitete er seine Ideen vor ihr aus und hielt nach der letzten Silbe gespannt den Atem an, wie sie reagieren würde. Würde sie ihn schüchtern anlächeln? Oder würde sie ihm voller Elan gleich um den Hals fallen? Ihn küssen?

    Ihre Reaktion überraschte ihn, denn sie lachte. Sie lachte und lachte und lachte, bis sie wirklich Tränen lachen musste. Es dauerte einen Moment, bis er realisierte, was da ablief. Und dann grollte tief aus seinem Inneren eine unfassbare Wut heraus, eine Wut auf sie, auf ihre Familie, eine Wut auf alles und jeden. Die haben seinen Bruder unglücklich gemacht, die haben mit ihrem Verhalten seinen Bruder in den Krieg und damit in den Tod getrieben, die haben seine Mutter unglücklich gemacht, die haben seinem Vater übel mitgespielt, weil sie mit der Cilli eine potentielle Erbin auf den Hof seiner Eltern plaziert haben, die haben alles kaputt gemacht, was ihm jemals wichtig war. Und an erster Stelle der Schuldigen war dieses Flittchen Viktoria. Diese undankbare, verschlagene, notgeile Person. Er wurde so wütend, wie er noch nie in seinem Leben wütend war. Er wollte, dass sie mit dieser alberenen Lacherei aufhörte. Sofort sollte sie damit aufhören. Er ging auf sie zu und hielt ihr erst den Mund zu, aber sie lachte weiter und dann nahm er ihren schlanken, wohlgeformten Hals in seine starken Hände und drückte langsam zu. Schlagartig wurde ihr Lachen beendet, sie blickte ihn mit weit geöffneten erschreckten Augen an, bis letztlich ihr Blick brach und sie zu Boden sank. Währenddessen wurde die Tür zum Stall erneut geöffnet und die alte Frau Gruber stand in der Tür, überblickte kurz die Situation und begann zu zetern. Xaver griff nach dem nächstbesten Werkzeug, das an der Wand lehnte und schlug auf sie ein. Sofort sank sie tot zu Boden. Viktoria – inzwischen wieder langsam bei Bewusstsein, war gerade dabei, sich wieder aufzurappeln und so schlug er auch auf sie mit dem Werkzeug ein. Es war die Reuthaue des alten Grubers.

    Der Rest der Geschichte ist schnell erzählt. Um seinen Mord zu verdecken, tötete er nach und nach alle Bewohner von Hinterkaifeck. Kurz überrascht war er, als er sah, dass es eine Magd auf dem Hof gab, aber auch diese schlug er mit einem gezielten Schlag aus diesem Leben in die Ewigkeit.

    Danach nahm er sich das Geld, das er auf die Schnelle fand. Er wusste, was er jetzt zu tun hatte – er musste verschwinden. Würden sie ihn fangen, würde er gehängt werden. So jung wollte er nicht sterben. Er verließ also klammheimlich Hinterkaifeck, packte heimlich seine Sachen in Laag ein und entschwand auch da ohne einen weiteren Gruß und machte sich auf den langen und beschwerlichen Weg zurück nach Russland.

    Als der zweite Weltkrieg ausbracht, war er schon lange ein angesehener Bürger Russlands, er hat die Tochter des Bauern geheiratet und ein glückliches Leben geführt. Mit Beginn des zweiten Weltkrieges diente er wieder in der Armee, diesmal natürlich auf russischer Seite. Und ein einziges Mal überkam ihn ein kurzer Moment der Melancholie, nämlich als ihn jemand aus der Gegend seiner alten Heimat auf Essen und Trinken ansprach. Diesem Menschen gegenüber bezeichnete er sich als „der Hinterkaifecker“ – obwohl er ja gerade das niemals war.

  • War der Bäcker Bärtl in Hinterkaifeck?

    Eine etwas merkwürdige Geschichte

    Im Jahre 1919 wurde in Ebenhausen der Landwirt Adler vor seinem Anwesen überfallen, beraubt und so übel zugerichtet, dass er nach einigen Tagen starb. Zwei Brüder aus Nürnberg wurden für die Tat verantwortlich gemacht und landeten im Zuchthaus. Scheinbar gab es bei der Polizei eine Gegenüberstellung und Frau Adler erkannte in ihnen die Täter. Es kam aber ans Licht, dass die Frau ihren Mann loswerden wollte und ein gewisser Steinkohl und ein Bäcker Bärte(l) aus Geisenfeld den schweren Raub verübten.

    (Wasserburger Anzeiger, 12.03.1921)

    Der Rosenheimer Anzeiger berichtet am Dienstag 16. Dezember 1919 über die Tat. Vor einigen Tagen wurde der Gütler Thomas Adler in Ebenhausen in seinem Anwesen, dass er allein bewohnt, von zwei Burschen, die Nachfrage nach Eiern und Butter gehalten hatten, überfallen und zu Boden geschlagen. Als sie dem Bewusstlosen dass in einer Brusttasche verwahrte Bargeld rauben wollten, kam dieser zu sich und rief laut um Hilfe, worauf die Angreifer flüchteten. Adler hat zwölf Verletzungen am Kopf erhalten, die lebensgefährlich sind und von Schlägen mit einem stumpfen Gegenstand herrühren.

    Interessant wäre jetzt zu erfahren was Josef Bärtl mit der Tat in Hinterkaifeck zu tun hatte? Ging Josef Bärtl nach der Tat in Hinterkaifeck in die Fremdenlegion, wie die Münchner und Neuburger Mordermittler glaubten.

    Gesucht wird Josef Bärtl 1926

    Weil Josef Bärtl mit dem Räuber Philippi aus der Heil- und Pflegeanstalt Günzburg geflohen ist, kann man ihn nicht als gefährlichen Raubmörder deklarieren.

    Raubdelikte heißt noch lange nicht Raubmord.

    Staatsanwalt Pielmayer sah dann eine ganze Räuberbande, es kam zu Verhaftungen, aber im Grunde nur falsche Vermutungen.

    Josef Bärtl Steckbrief 1927

    Internationale Öffentliche Sicherheit Wien bzw. IKPK (Commission Internationale de Police Criminelle) mit Sitz in Wien.1933 umfasste die Karteikartensammlung der IKPK bereits über 3.200 grenzüberschreitend agierende Kriminelle.

    Der Kaifeck-Mörder verhaftet?

    1932 wurde in Pfaffenhofen der Kaifeck-Mörder verhaftet, dass Gerücht erwies sich aber als falsch.

    Kaifeck Mörder verhaftet

    Wer aber soll es gewesen sein?

    Kaifecker Raubmörder

    Leider war es wieder nichts, nur der Bäcker-Bärtl ist seit dieser Zeit spurlos verschwunden. Vielleicht ist er ausgewandert?

  • Der Sohn vom Vater als Mörder überführt

    Ein Mordfall aus dem Jahr 1947

    Häusliche Gewalt

    Ein vermutlicher Mordfall aus dem Jahr 1947 wurde am Montag vor dem Schwurgericht Regensburg aufgegriffen. Unter der Anklage des Mordes steht der 43 jährige Landwirt Ludwig S. aus B(P)ittmannsdorf im Landkreis Parsberg dem vorgeworfen wird, im Jahre 1947 seine damals 33 Jahre alte Ehefrau Barbara im Verlauf eines Streites im Heustadl des elterlichen Anwesens getötet zu haben. Der Tod der jungen Bäuerin war seinerzeit als Unfall deklariert worden. Sie sei bei anheben eines schweren Sackes die Treppe des Heustadls hinuntergestürzt und habe sich das Genick gebrochen. Die Exhumierung der Leiche ergab, dass die Halswirbelsäule gebrochen war. Der Vater des Angeklagten, angeblich von Gewissensbissen geplagt, behauptete vor dem Gericht, dass sein Sohn die Frau im Streit erschlagen habe und forderte den hartnäckig leugnenden Sohn auf, die Wahrheit zu sprechen. Der alte Bauer will als Augenzeuge dazugekommen sein, als sein Sohn der Schwiegertochter das Genick brach, anschließend drei dumpfe Schläge mit einem harten Gegenstand ausführte und die Leiche sodann die Treppe hinunterwarf, so dass sie dem Alten geradewegs in die Arme fiel.

    Lebenslänglich für Gattenmörder

    Das Schwurgericht Regensburg verurteilte am Freitag Abend den wegen Mordes angeklagten Landwirt Ludwig S. aus B(P)ittmansdorf im Landkreis Parsberg zu lebenslänglichen Zuchthaus, Aberkennung der Ehrenrechte auf Lebenszeit und den Kosten des Verfahrens. S. hatte im Jahr 1947 seine damals 29 – jährige Frau auf dem Boden des elterlichen Anwesens durch einen Schlag betäubt und sie dann eine Treppe hinuntergeworfen. Nach dem Sturz hatte er ihr das Genick gebrochen. Motiv für die Tat war, dass die Frau sich von ihm scheiden lassen wollte. Er hatte sie mit Versprechungen neun Tage vor der Tat zurück in seine Wohnung gelockt, wo es aber bald wieder zu Auseinandersetzungen gekommen war. Ludwig S. hatte die Tat zu vertuschen gesucht, dass er die Leiche seiner Frau am Fuße der Treppe zusammen mit einem schweren Sack hinlegte, so dass es schien, als sei die Frau durch einen unglücklichen Zufall von der Treppe gestürzt. Die Eltern S. hatten den Mord zunächst gedeckt. 1954 hatte der Vater die Tat aber dann angezeigt, weil es zu Streitigkeiten darüber gekommen war, dass der Sohn nicht mehr Alleinerbe des elterlichen Besitzes sein sollte. In der Verhandlung sagten die Eltern S. übereinstimmend aus, dass sie in der Nacht der Tat durch Geräusche aufgewacht seien und gesehen hätten, wie der Sohn seine Frau die Treppe hinabstieß und ihr dann das Genick brach. Diese Aussagen wurden durch zwei Sachverständigen-Gutachten erörtert.

    Montag, den 31.Oktober 1955



  • Die Erde bebte

    Wurde Günzlhofen gesprengt?

    Jessas Maria und Josef! Bei allen Heiligen, die Teller und Tassen tanzen auf dem Tisch, bemerkte die alte Pfarrer Babette. Beruhige dich, meinte Pfarrer Bendert, so schnell geht die Welt nicht unter. Da hat der Herrgott auch noch was zum mitreden. Es stellte sich heraus, dass nach Kriegsende im November 1918 in der Nähe von Günzlhofen etwa 90 Artillerie-Granaten vergraben wurden. Diese Munition wurde von einem Kommando der bayerischen Landespolizei ausgegraben und gesprengt. Der Platz wurde weiträumig abgesperrt, aber lange wusste die Bevölkerung nicht warum? Warum ausgerechnet in Günzlhofen Artillerie-Granaten vergraben wurden und erst 1930 ausgegraben wurden, entzieht sich meiner Kenntnis. Gut möglich, dass Günzlhofen während der Revolutions-Zeit wie Hinterkaifeck in einem Aufmarsch- oder Versorgungsgebiet lagen.

    Wie "Reuter" aus sicherer Quelle erfährt, sollen die Munitionsvorräte in Deutschland so
    Wie „Reuter“ aus sicherer Quelle erfährt, sollen die Munitionsvorräte in Deutschland so groß sein, dass in jedem größeren Geschäft Lagerräume dafür errichtet sind.

    Der Ort Günzlhofen wird erstmals 793/811 als „Cundinchofa“ und 829 al „Cundinchofun“ erwähnt. Der Name bedeutet „Höfe des Gunzil“. Bereits im 13. Jahrhundert dürfte hier eine kleine Burg gestanden haben. Von den „Günzlhovern“ über die „Saldorfer“ kam der Besitz durch Heirat 1480 an den Pfleger von Schlanders (Südtirol) Jeromin Perwanger. 1485 erhielt er die Hofmarksgerechtigkeit, er baute ein beeindruckendes Renaissance-Schloss und errichtete eine Schule mit einem ausgebildeten Lehrer. Es war die erste Schule im heutigen Landkreis, außerhalb der Klosterschule Fürstenfeld. Seine Söhne Augustin und Christof Perwanger wurden 1527 als Wiedertäufer in München enthauptet. Von 1595 bis 1825 gehörte die Hofmark der Familie Imhoff. Das Schloss wurde um 1800 abgebrochen. Die Pfarrkirche St. Margareth, ein spätgotischer Bau, wurde im 17. Jh. barockisiert und 1921 verlängert. In ihr befindet sich ein qualitätvoller Stuckmarmor-Hochaltar, der wahrscheinlich aus der ehem. Klosterkirche von Wessobrunn stammt. Bemerkenswert sind die zahlreichen Marmor-Epitaphien der früheren Hofmarksherren und deren Ehefrauen. Besonders hervorzuheben sind zwei Renaissance-Epitaphien für Anna Perwanger (+ 1488) und Jeromin Perwanger (+ 1517). Neben der Kirche befindet sich der schön restaurierte, ehemalige Pfarrhof, dessen Anfänge in das 16. Jh. reichen. Er wird heute als Pfarrheim genutzt. Günzlhofen ist der Heimatort der Musiker- und Lehrerfamilie Well. Die Mitglieder der Musik- und Kabarettgruppen Biermösl-Blosn und Wellküren wuchsen hier auf.