Der Würger von Nürnberg
Die bisher ungeklärten Morde an dem aus Jugoslawien stammenden Diplomlandwirt Neidenbach und seiner Zimmervermieterin Frau Wiggen stehen noch immer im Mittelpunkt des Interesses der Bevölkerung in und um Nürnberg.
Inzwischen läuft die Fahndung nach dem Mann, dem der Volksmund bereits den Beinamen „Würger von Nürnberg“ gab, noch immer auf vollen Touren. Die Polizei geht jedem Fingerzeig nach, der ihr aus der Bevölkerung heraus gegeben wird. Sie unterstützte auch eine für Donnerstag Abend vorgesehene Sonder-Reportage des Deutschen Fernsehens zu den Mordfällen, bei der möglicherweise neue Anhaltspunkte durch Reaktionen bei den Fernsehteilnehmern herauskommen.
Sie geht außerdem – wie der Nürnberger Polizeipräsident Erich Heß erklärte – Hinweisen des Utrechter Hellsehers Gerard Croiset nach, die dieser vor einigen Tagen einem Reaktionsmitglied einer Nürnberger Zeitung gegeben hatte. In einem Gespräch, das auf Tonband festgehalten ist, versucht der Hellseher, den mutmaßlichen Täter zu skizzieren, wobei er die nach berichten von Augenzeugen – die den Täter gesehen haben wollen – bereits angefertigte Porträtskizzen in verschiedenen Linien berichtigt. Croiset gab ferner eine Beschreibung des angeblichen Wohnortes des Mörders. In der Nähe steht eine Mühle, meint er. Nach einer Skizze, die der Hellseher anfertigte, läge der Wohnort des Würgers unweit des Fundortes einer der beiden Leichen im Landkreis Lauf bei Nürnberg.
Im Fall Hinterkaifeck wurden in Nürnberg 1922 spiritistische Sitzungen mit drei verschieden Hellseherinnen abgehalten, das Ergebnis war eher bescheiden. Bei diesem Fall setzte man auf Gerard Croiset.
Der Würger von Nürnberg ist tot
Der Mordfall Neidenbach – Wiggen scheint nach zwölf wöchiger Untersuchung jetzt zum Teil aufgeklärt zu sein, erklärten am Montag Mitglieder der Sonderkommission Nürnberg. Als „Würger von Nürnberg“, steht der 53 Jahre alte Berufssoldat Otto Rudorf aus Feucht bei Nürnberg, der wegen Betrugs vorbestraft ist, unter dringendem Tatverdacht. Er muss jedoch nach Ansicht der Polizei mindestens noch einen Mittäter gehabt haben. Während Otto Rudorf kurz nach seiner Festnahme wegen Betrugs am vorigen Freitagabend Selbstmord durch Einnehmen von Zyankali begehen konnte, befindet sich der unbekannte Mittäter noch auf freiem Fuß.
Wie die Sonderkommission Nürnberg bekanntgab, wurden bei einer Durchsuchung von Rudorfs Wohnung in Feucht mehrere Pistolen vom Kaliber 7,65 mm mit Schalldämpfer gefunden. Mit Feuerwaffen dieses Kalibers wurden die Morde an dem 36jährigen Diplomlandwirt Mathias Neidenbach und dessen ehemaliger Zimmervermieterin, der 65jährigen Witwe Elisabeth Wiggen, am 22. Juli 1958 ausgeführt. Weiterhin fand die Kriminalpolizei bei der Haussuchung Notizen, die nach Angaben eines Mitgliedes der Sonderkommission darauf hinweisen, dass Rudorf der geheimnisvolle Würger von Nürnberg war. Außerdem wurde ein gefälschter Ausweis in der Wohnung sichergestellt, der auf „Polizeiamtmann Betz“ ausgestellt war. Die Kriminalpolizei hat ermittelt, das Elisabeth Wiggen am 22. Juli 1958 von einem falschen Kriminalbeamten aus ihrer Wohnung unter einem Vorwand abgeholt und anschließen getötet wurde.
Ein Bankbeamter hat ferner nach Mitteilung von Mitgliedern der Sonderkommission den Toten Rudorf als den Unbekannten identifiziert, der vermutlich nach dem Mord an Mathias Neidenbach von dessen Bankkonto 20.000 Mark ohne Vollmacht abheben wollte. Der zweite Bankbeamte, der damals dem Würger von Nürnberg ebenfalls gegenüberstanden hatte, äußerte jedoch angesichts des Toten Zweifel. Rudorfs Auto wurde inzwischen zum Gerichtsmedizinischen Institut nach Erlangen geschafft. Die Sonderkommission hat ermittelt, dass die Bluttaten an Neidenbach und Frau Wiggen in einem Automobil ausgeführt wurden. Schließlich stimmt der Fahndungsbrief der gegen Otto Rudorf vor mehreren Wochen wegen größerer Betrügereien erlassen wurde, weitgehend mit der Täterbeschreibung des Würgers von Nürnberg überein.
14. Oktober 1958