Kategorie: Hinterkaifeck

  • Aus der Sonderausstellung „Mythos Hinterkaifeck“

    Die Kriegertafel auf dem Dachboden

    In der Sonderausstellung „Mythos Hinterkaifeck“ war unter anderem auch die Tafel der gefallenen und vermissten Soldaten aus dem ersten und zweiten Weltkrieg des Krieger- und Soldatenvereins Waidhofen ausgestellt.

    Bereits am 5. Dezember 2012 war ich mit dem damaligen Vorsitzenden des Krieger- und Soldatenvereins in Waidhofen verabredet und habe die Kriegertafel, die im Dachboden der neugebauten Schulgebäudes (bin mir nicht mehr sicher, ob es wirklich eine Schule war) gelagert war, abgelichtet.

    So stand sie damals in dem Dachboden:

    Tafel Krieger- und Soldatenverein Waidhofen
    Tafel Krieger- und Soldatenverein Waidhofen
  • War auch in Hinterkaifeck ein illegales Waffenlager

    Im Laufe der folgenden Monate wird jedoch deutlich, dass sich vor allem rechtsradikale Organisationen wie die „Orgesch“, die „Organisation Consul“ und Angehörige der eigentlich aufgelösten Freikorps mit Waffen versorgen. Offensichtlich haben viele Rechte den Stichtag 1. November 1920, bis zu dem illegale Waffen straffrei abgegeben werden konnten, ungenutzt verstreichen lassen. 

    Militärische Kontrolle auf unbestimmte Zeit? Nach Erklärungen der ‚Times‘ hat die englische Regierung ihre Zustimmung zu dem von Mitgliedern der interalliierten Militärkontrollkommission ausgedrückten Wunsch gegeben, wonach die militärische Kontrolle in Deutschland noch während einer unbestimmten Zeit fortzusetzen ist. Nach einer Londoner Havasmeldung stützt sich dieser Entschluss Englands auf die jüngsten Waffenfunde und die geheimen Waffenlager.

    (Berliner Tageblatt am 22. Februar 1922)

    Zwei Zeitungsartikel aus dem Jahr 1922

    München. Vor dem Volksgericht München I fand Verhandlung gegen den pens. 29 jährigen verheiratete Volkschullehrer und Schriftsteller Rudolf Wolff von Nennhausen, BA. Dachau, und den 30 Jahre alten verheirateten Ingenieur bzw. Feinmechaniker Frz. Hemberger von Erding wegen eines Verbrechens des Landesverrats bzw. Beihilfe hierzu statt. Es handelt sich um den Verrat von Heeresgut an die Entente (Mai 1920) in Höhe von mehreren Millionen Mark. Wolff wurde zur Zuchthausstrafe von 15 Jahren, Hemberger zur Zuchthausstrafe von 6 Jahren und je 10 Jahren Ehrverlust verurteilt.

    (14.03.1922)

    Hart bei Traunstein, 6 Oktober 1922. Zwei Offiziere der Entente, die einen genauen Situationsplan hatten, holten da hier aus einem Versteck mehrere hundert Gewehre hervor. Ein feiger Deutscher verriet um einige Silberlinge an Fremdländische sein Heimatland; hoffentlich wird er entdeckt, damit er seinen verdienten Lohn empfangen kann. Die eine erfreuliche Erscheinung an der Affäre ist, dass die von den Entente-Offizieren beschlagnahmten Gewehre noch vor dem Bahnversand wieder gestohlen wurden.

    (11.10.1922)

    Freiheit“ und der „Vorwärts“, die Zeitungen der beiden sozialdemokratischen Parteien, berichten darüber:

    „Waffenlager der Orgesch. Waffenfunde und Waffenschiebungen“

    „Waffenfunde in Frankfurt a. M.“

    „Waffenlager in Cottbus“

    „Die Prenzlauer Waffenfunde“

    „Reichswehr und Waffenverschiebung. Geheime Waffenlager bei Görlitz“

    „Wieder ein Waffenlager entdeckt!“

    „Die Potsdamer Waffenschieber“

    „Orgesch entlarvt! Das Geständnis eines Offiziers. Diebstahl beschlagnahmter Waffenlager. Bewaffnete Geheimverbindungen überall“

    „Waffenlager in Schöneberg. Das Rathaus mit der schwarz-weiß-roten Fahne“

    „Entdeckung eines Waffenlagers“

    „Ein Waffenlager bei Brandenburg“

    Ein parteienübergreifender Wehrkonsens sorgt dafür, dass auch die Demokraten über die illegale Aufrüstung hinwegsehen. 1927 richtet die Reichsregierung unter dem Zentrumspolitiker Wilhelm Marx sogar einen Ausschuss ein, der aufpassen soll, dass die illegale Aufrüstung nach den Regeln des ordentlichen Haushaltsrechts abläuft.

    Noch 1930 wurden bei einem Kommunisten Waffen ausgehoben, scheinbar standen die roten Brüder den braunen Brüdern in nichts nach, je nach Quellenlage ist von Unterschiebung von Waffen die Rede.

    Kommunistisches Waffenlager
    Kommunistisches Waffenlager
  • Gemeinde-Schreiber in Waidhofen

    Das abwechslungsreiche Leben des Franz Xaver Dersch

    Xaver Dersch war nach eigener Aussage in jungen Jahren bei einem Rechtsanwalt als Bürolehrling tätig. Ob er einen Berufs-Abschluss bei dem Rechtsanwalt gemacht hat geht aus seiner Aussage leider nicht hervor, später kam er nach Neufahrn und Regensburg scheinbar hat er es nirgends lange ausgehalten. Als alternative für Zivilversager bietet sich das Militär an, dort hat sich Xaver Dersch für zwölf Jahre verpflichtet. Er kam aber wegen Betrugs und Urkundenfälschung vor ein Militärgericht und wurde nach zwei Jahren entlassen. Im ersten Weltkrieg wieder eingezogen beging er im Jahre 1916 seine zweite Unterschlagung und Urkundenfälschung, er wurde zu insgesamt sechseinhalb Jahren Gefängnis verurteilt. Einen Teil der Strafe verbüßte er auf der Veste Oberhaus, dem bayerischen Alcatraz. Nach seiner Entlassung bei der Armee wollte er in die Reichswehr eintreten, ich kann mir nicht vorstellen, dass sie ihn bei seinem Vorstrafenregister genommen hätten. Die nächste Chance bietet sich im Frühjahr 1919, da kam Xaver Dersch beim Freikorps Epp unter, bis zu dessen Auflösung im Oktober 1920. Das Freikorps Epp wurde aber schon im Mai 1919 aufgelöst und die Brigaden wurden von der vorläufigen Reichswehr übernommen, auch wurde das Freikorps Oberland und Bogendörfer integriert. Danach war Xaver Dersch Gemeindeschreiber in Waidhofen wo er 1926 wegen Urkundenfälschung und Betrug zu einem Jahr Zuchthaus verurteilt wurde. Nach dem Weggang von Lehrer H. 1922 war er bis zum 01.05.1923 Biersteuer-Kassier der Gemeinde Waidhofen, auch hier musste er wegen seines Geschäftsgebarens ermahnt werden.

    Ingolstädter Anzeiger 1926

    Es war nie eine Absicht, irgendwelche Behörden zu täuschen und die Polizei bei ihren Ermittlungen nach dem Mörder von Hinterkaifeck auf eine falsche Spur zu bringen.

    (Franz Xaver Dersch in einer Aussage vom 11.12.1951)

  • Der Bauer von Hinterkaifeck im Zuchthaus

    Was hat Andreas Gruber im Zuchthaus gelernt?

    Ob Andreas Gruber in Straubing im angegliederten landwirtschaftlichen Betrieb gearbeitet hat, ist nicht überliefert. Anfang der 1920er Jahre wurden im Zuchthaus Straubing alte Heeresbestände zu Schuhzeug, Hosenträgern und Lederwaren verarbeitet. Laut der Aussage von Alois Langer, geb. 11. Juni 1897, von Beruf Metzger soll Andreas Gruber im Februar 1920 graues und grünes Militärtuch gekauft haben, zum Meterpreis zwischen 23 oder 26 Mark. Beim dritten Besuch soll er Flanellstoff und etwa 600 Meter Stuhltuch gekauft haben.

    Gefängniszelle Straubing

    Als Andreas Gruber im Februar 1916 nach Straubing kam, waren im Deutschen Reich die gesamten Lebensmittelvorräte rationiert. Die durchschnittliche wöchentliche Verbrauchsmenge für Butter und Fett beträgt zwischen 60 und 75 Gramm gegenüber 100 Gramm vor dem Krieg. Die Mindestzuteilung beträgt 50 Gramm, tatsächlich ist aber nicht mal diese Menge vorhanden.

    Schwarzhandel, Verteilungsschwierigkeiten und der empfindliche Viehrückgang sind die hauptsächlichen Ursachen.

    In Straubing wurden zur Deckung des Butterbedarfs seit Juni 1916 Butterkarten eingeführt. Im November 1916 beträgt die Wochenkopfmenge Butter bloß mehr 20 Gramm, damit steht Straubing am untersten Ende der bayerischen Fettversorgungstabelle, nur Landshut ist mit 14 Gramm noch schlechter dran. Im Januar 1917 wird zwar die Verteilung besser geregelt als in den Vormonaten, aber Schleichhandel und Hamsterei greifen immer weiter um sich. Andreas Gruber bekam eine höhere Zuteilung von 55 Gramm Fett wöchentlich, weil die Landesfettstelle das Zuchthaus Straubing direkt belieferte, was in der Bevölkerung zu einem großen Unmut führte.

    Hinterkaifeck 1919

    „Im Jahre 1919, es wird im August gewesen sein, ging ich mit meiner Schwägerin Regina Bund, wohnt Göggingen, Waldstr .2, nach Hohenwart zum Hamstern. Wir kamen auch nach Hinterkaifeck in den Hof, wo die schwere Bluttat verübt wurde. Mit der Tochter, die damals hochschwanger war, habe ich längere Zeit gesprochen. Sie erzählte, dass ihr Mann gefallen und sie von einem Bauer in Gröbern in der Hoffnung sei. Sie gab mir ein Pfund Schweineschmalz, welches aber nicht gut war, für 15 Mark. Etwa 14 Tage später kam ich wieder nach Hohenwart und traf dort mit dem Bauern zusammen, der die Bäuerin geschwängert haben soll. Ich sagte zu ihm: „Du darfst Deine Alte anders erziehen, die hat mir verdorbenes Fett gegeben.“

    (Auszug: Aussage Satzinger Johann vom 12.11.1923)

  • Ein Besuch im medizinhistorischem Museum

    Außenansicht deutsches medizinhistorisches Museum Ingolstadt
    Außenansicht deutsches medizinhistorisches Museum Ingolstadt

    Am Donnerstag, den 6. April und am Freitag, den 7. April 1922 wurden die Opfer von Hinterkaifeck obduziert. Die Obduktionen begannen also heute vor 100 Jahren. Am ersten Tag Viktoria Gabriel, Cäzilia Gruber und Cilli Gabriel, am zweiten Tag Andreas Gruber, Josef Gruber und Maria Baumgartner. Da keine Obduktionsprotokolle mehr erhalten sind, weil diese 1944 in Augsburg bei einem Bombenangriff vernichtet wurden – über den es einen interessanten Film auf den Seiten von Augsburg.de zu sehen gibt – weiß man nicht, ob die genannte Reihenfolge die richtige ist und wenn ja, ob es damit eine bestimmte Bewandtnis hat. Was aber gesichert ist, ist, dass die Kalotten der Schädel entfernt wurden. So richtig vorstellen konnte ich mir auch nicht, wie das von statten ging. Aber ein Besuch beim Deutschen Medizinhistorischem Museum in Ingolstadt brachte Abhilfe.

    Apropos Schädel: 2011 gab es eine Sonderausstellung „Vom Tatort ins Labor“. Auf der Suche nach Fotos dieses Besuchs, bei dem ich meiner Erinnerung nach auch den später in der „Sonderausstellung Mythos Hinterkaifeck“ ausgestellten Obduktionskoffer fotografiert habe (die Suche war erfolglos) stieß ich aber immerhin auf einen damaligen Gedankengang. Es waren Schädel mit mehreren Verletzungsmustern und den dazugehörigen Werkzeugen zu bewundern. Unter anderem war ein Schädel ausgestellt, der Verletzungen in Form von kleinen Löchern aufwies. Es stellte sich im Verlauf der Ermittlungen heraus, dass ein Wetzstahl der Verursacher der Läsionen war. In dem Zusammenhang fragte ich mich bereits damals und auch jetzt wieder, ob die sternförmigen Verletzungen von Viktoria Gabriel tatsächlich von der Reuthaue her stammten. Hätte nicht, nachdem die überstehende Mutter direkt der Gewindestange gefolgt ist, der Schädel um die sternförmigen Löcher auch noch Schaden anrichten müssen? Oder kommt die Sternform durch die Mutter? Oder war es vielleicht auch ein Wetzstahl, der diese Verletzungen verursacht hat?

  • Rezension des Buches von Autor Mathias Petry

    Auf das Buch „Nicht nur ein Mord“ von Mathias Petry wurde ich durch einen Beitrag des Autors selber in der Hinterkaifeck-Gruppe auf Facebook aufmerksam. Ich habe es mir in der Kindle-Version zugelegt.

    Dort bekommt man ja (vermutlich je nach Einstellung, das weiß ich nicht genau) angezeigt, wie lange man in etwa an dem Buch zu lesen hat und ich war etwas irritiert, denn innerhalb von guten zwei Stunden sollte das Buch ausgelesen sein können. Nun gut, Länge alleine sollte ja nicht ausschlaggebend sein, meine Kurzgeschichten „Wie es wirklich war“ und „Des Xaverl wars“ hier zeichnen sich ja auch nicht durch übermäßige Länge aus.

    Bereits im ersten Kapitel weist Mathias Petry darauf hin, dass er viele Informationen aus der Internet-Seite hinterkaifeck.net entnommen hat. Auch ich habe schon in Archiven geforscht, nicht nur, aber auch in Sachen Hinterkaifeck – Blut und Wasser hat da sicherlich niemand schwitzen müssen, wie vom Autor auf Seite 10 kolportiert. Unbestritten hat hinterkaifeck.net aber ein umfassendes Archiv. Um so mehr erstaunt es, dass der Autor, der von sich selber behauptet, er hätte als Journalist gelernt, wie Recherche geht, in seinem Buch aus Andreas Gruber einen hoch gewachsenen Mann mit annähernd 190 cm Körpergröße machen kann, hätte doch eine kurze Recherche ergeben, dass Andreas Gruber mit 165 cm eher geringer Körpergröße war. Diese unlogischen Vorgänge finden sich aber leider an mehreren Stellen dieses Buches. Ich frage mich beispielsweise, warum der Oberleutnant Mehnert, Handamputiert, seine Rechte Hand benötigt, um den linken Armstumpf in der Manteltasche zu verstauen. Das würde zusätzlich zur Amputation auch noch auf eine Parese des linken Armes deuten und ich halte es für ausgeschlossen, dass jemand mit solchen körperlichen Einschränkungen noch als dienstfähig eingestuft worden wäre. Dann wage ich hier mal eine Vermutung: Mathias Petry war nie bei der Bundeswehr. Anders sind mir der Lapsus bezüglich der Szene des ersten Zusammentreffens des Oberleutnants mit seinen zwei Vasallen und den Bewohnern von Hinterkaifeck nicht erklärbar. Oder wie soll ich mir vorstellen, dass die beiden Soldaten ihre Waffen zwar im Anschlag (aber noch nicht durchgeladen, das erklärt sich erst weiter unten), aber nicht auf die Menschen im Hof gerichtet hätten. Auf wen dann? Auf den Oberleutnant himself? Auf die Stallwand? Den Acker? Wäre es nicht viel sinnvoller gewesen, wenn die Soldaten die Hinterkaifecker im Auge behalten hätten, statt mit ihren Waffen im Anschlag in der Gegend herumzuglotzen? Nach dem verbalen Schlagabtausch der beiden Parteien sollen sich dann der Oberleutnant mit seinen Soldaten Richtung Hexenholz zurückgezogen haben, und dabei haben die Soldaten ihre Waffen durchgeladen. Und mit den durchgeladenen Waffen sind sie dann ihrem Anführer nachgetapert. Ganz ehrlich, das hat was von Slapstick und Monty Python, aber leider so gar nichts von Recherche. Im Kapitel 4 schreibt Petry dann, dass die Soldaten der Reichswehr am Morgen erneut in das Gehöft einsickern möchten. Nur – bisher waren sie noch gar nicht irgendwo eingesickert, sondern haben sich eben mit den Hinterkaifeckern vor dem Stall unterhalten.

    Weiter geht es im Text. Unter der Woche wird auf Hinterkaifeck, denen oft Geiz unterstellt wird, Kaffee getrunken. Und Gruber hat Flugzeuge versteckt. Aber gut, das sei der künstlicherischen Freiheit des Autors geschildert.

    Leider hat der Autor auch wenig Ahnung vom bäuerlichen Leben. Beispielsweise unterstellt er auf Seite 22 dem Andreas Gruber, dass er für den kleinen Josef die Kindsmagd geben hätte müssen. Der Bauer selber, obwohl seine ältere Frau sicherlich auch im Haus beschäftigt war. Da antworte ich auch mal mit einem Nicht-Satz: Never ever!

    Und dann der Dialog zwischen Andreas Gruber und Viktoria Gabriel, in dem die Tochter dem Vater eröffnet, dass sie aus ihrem „erbärmlichen Leben“ fliehen und mehr vom Leben als nur Arbeit haben möchte. Andreas Gruber entgegnet ihr darauf hin: „Du? Schau dich doch einmal an. Du bist eine Bäuerin und sonst gar nichts. Du bist als Bäuerin geboren, und du wirst als Bäuerin in deiner Grube enden.“ Ich schäme mich an dieser Stelle fremd für den Autor und möchte mich bei allen Landwirten entschuldigen. Mir ist es durchaus bewusst, dass das Leben als Landwirt ein Leben in Unabhängigkeit und Selbständigkeit bedeutet und auch damals bedeutete. Im Gegenteil, der Bauernstand war und ist zu Recht stolz auf seinen Stand. Wer sich übrigens einen Einblick über das Leben in der Stadt in dieser Zeit verschaffen möchte, dem kann ich das Buch oder den gleichnamigen Film „Die Rumplhanni“ empfehlen.

    Es sind auch einfach inhaltliche Fehler enthalten, beispielsweise fällt auf Seite 38 der Satz „Die Mutter hat ihn (Anm.: den Hof) übergeben.“ Das stimmt natürlich nicht, es waren beide Eltern, denn seit dem Ehe- und Erbvertrag zwischen Andreas Gruber und Cäzilia Asam waren auch beide Eigentümer des Hofes.

    Auch dass die Grubers in der Fastenzeit ihren Schinken schon selber gegessen haben sollen, kann ich mir nicht recht vorstellen, aber es zeigt, dass der Autor leider wenig Einfühlungsvermögen für die damaligen katholischen Gegeben- und Gepflogenheiten hat.

    In dem Buch auf Seite 24 ist auch eine Szene zwischen Viktoria Gabriel und der Schwester der später getöteten Magd beschrieben, die die Vermutung aufkommen lassen könnten, dass sich die beiden Frauen intensiver zueinander hingezogen fühlen könnten als nur freundschaftlich verbunden. Frauen, die sich bei der Begrüßung umarmen, nachdem sie sich versichert haben, dass sie nicht beobachtet werden und die dann gemeinsam in einer Zeitung blättern, sich unterhalten und sich dabei noch vertraut an beiden Händen fassen können, waren damals mit Sicherheit nicht der Regelfall von sozialen Interaktionen zwischen zwei Frauen, die nach bisherigem Kenntnisstand keinerlei Berührungspunkte im Leben hatten, sondern sich erst durch die Arbeitsvermittlerin Rockesmüller kennengelernt haben. Warum sonst hätte sich die Schwester der Magd nicht gleich direkt an ihre Busenfreundin Viktoria wenden sollen, als sie eine Stellung für ihre Schwester suchte?

    Historisch lässt der Autor hier drei Soldaten der Reichswehr den Auftrag erfüllen, den Gruber, der die Reichswehr erpresst haben soll, zum Schweigen zu bringen, aber ohne Aufsehen. Fememord kommt also aus welchen Gründen auch immer nicht in Betracht. Gleichzeitig wundert es etwas, dass hier die Reichswehr selber vorgegangen sein soll, denn um solche Imponderabilien zu vermeiden, war es eben nicht die Reichswehr selber, die sich entgegen den Bestimmungen der Versailler Verträge verhalten hat, sondern es wurden entsprechende illegale paramilitärische Formationen heimlich mit Geld unterstützt. Es wäre also mitnichten darum gegangen, einen weiteren Krieg zu verhindern, wie der Autor auf Seite 16 behauptet.

    Literarisch ist das Werk gemischt. Einerseits finden sich wirklich schöne Formulierungen, andererseits erstaunte es mich, dass jemand mit journalistischer Ausbildung tatsächlich ein Buch mit solch Twitter-ähnlichem Duktus veröffentlicht. Bereits auf Seite neun erstaunt mich der Autor mit den Worten „Nichts muss. Alles kann.“, die mich sehr an Kontaktanzeigen mit eindeutig erotischem Inhalt erinnern. Auch eine Seite weiter finde ich das Ende des durchaus ansprechenden Absatzes über die verschiedenen Möglichkeiten der Blickwinkel mit dem Ergebnis, dass eins plus eins noch lange nicht zwingend zwei gäbe und dem dann folgenden Nicht-Satz „Aus Gründen.“ unpassend. Vielleicht erklärt diese Sichtweise des Autors auf für mich zwingende Schlussfolgerungen, wie 1 + 1 = 2, die vielen Logikbrüche in dem Buch.

    Zwischenrein muss man auch den Schmalztopf unter das Buch stellen, so schnulzig wird es. Beispielsweise könnte die Beschreibung von Franziska Gabriel, die Mutter des gefallenen Karl Gabriel und somit die Schwiegermutter von Viktoria Gabriel, zu Beginn von Kapitel acht auch direkt von Rosamunde Pilcher stammen. Und auch da – nach wenigen Sätzen – wieder ein logischer Fehler: Bei der Hochzeit von Viktoria und Karl Gabriel war der Inzest noch gar nicht gerichtsmäßig bekannt, die Anzeige dazu wurde erst Ende 1914 oder Anfang 1915 erstattet.

    Es gäbe noch viele Einzelheiten anzusprechen, die unlogisch, falsch oder schwer vorstellbar sind, aber das würde den Rahmen eines Blogartikels deutlich sprengen. Ich gebe zu, je länger ich las und um so mehr sachliche Fehler ich fand, desto uninteressanter fand ich das Buch insgesamt. Für mich muss ein Buch inhaltlich stringent sein, Beschreibungen von Szenen müssen so aufgebaut sein, dass ich einen innerlichen Film ablaufen lassen kann. Das ist bei dem Buch leider nicht gegeben, daher habe ich es mit zunehmender Seitenzahl auch zunehmend nur noch quer gelesen.

    Endgültig ausgestiegen bin ich, als in Kapitel zehn Karl Gabriel vom Deserteur (auch wenn er seine Marke gewechselt hat, war er ein Deserteur, zwar nicht mehr Karl Gabriel, aber Deserteur) im Jahr 1915 zum Ochsenmarktbesucher in Schrobenhausen im Jahr 1926 zum russischen Kommissar 1943 gewandelt hat ohne Erklärung von Mathias Petry, wie das zugegangen sein soll.

    Lustig auch die Schlussszene: Gruber versucht, ein Loch für die von ihm gemeuchelten Leichen im Stall auszuheben (das wurde auch schon in einem vorhergehenden Kapitel angesprochen). In einen – Zitat vom Autor – gefrorenen, steinharten Boden. So ein Boden in einem Stall ist nicht gefroren, Hinterkaifeck ist nicht in Sibirien, wo der Stall auf Permafrost errichtet worden wäre. Steinhart trifft es allerdings sehr gut. So ein Stallboden damals war verdichtet von den Klauen der darauf lebenden Tiere. Kühe wiegen gut und gerne mal eine halbe Tonne, haben relativ kleine Auflagefllächen auf den Paarhufen und verdichten somit über Jahrzehnte (so lange war da schon Stall) den Boden wirklich steinhart. Da beschickt man mit einer Schaufen nichts. Gar nichts. (Anscheinend mag ich den Duktus von Petry mehr als mir lieb ist).

    Das beste am dem Buch ist im letzten Kapitel zu finden. In der Tat finde auch ich es keinesfalls ausgeschlossen, sondern im Gegenteil gut vorstellbar, dass Reingruber von oben zum „Nicht-Ermitteln“ gezwungen worden war. Ist es ja schon merkwürdig genug, dass dieser Fall keinen Eingang in die Memoiren von Reingruber gefunden hat.

    Fazit: Ein gutes Buch zum Einstieg für Hinterkaifeck-Neulinge, allerdings nur unter Vorbehalt, denn der Eindruck, hier würden nur erwiesene Tatsachen beschrieben, ist leider völlig verkehrt. Für erfahrene Hinterkaifeckologien meiner Meinung nach rausgeworfenes Geld.