Kategorie: Hinterkaifeck

  • Wie es wirklich war – Teil 5

    Andreas Gruber stand vom Tisch auf, damit war das Essen beendet. Umgehend stoppten auch die anderen die Nahrungsaufnahme und begannen zusammen zu räumen. Andreas Gruber begab sich in den Stall, um dort seine Notdurft zu verrichten, bevor er sich zu Bett begeben würde. Da er der einzige Mann im Haus war, genoss er nach wie vor das Privileg, als erster in den Federn verschwinden zu dürfen, während der Rest der Bewohner noch die Küche aufräumen musste. Dann musste auch noch geprüft werden, ob alle Türen und Fenster verschlossen wären und schließlich musste sich jeder selber auch noch für die Nacht fertig machen.

    Und heute Abend sollte die Magd auch noch über die beiden anonymen Mitbewohner auf dem Heuboden aufgeklärt werden, nicht, dass sie auch glaubt, es würden spuken, wie es schon mal eine Magd tat, der man nichts von heimlichen Übernachtungsgästen verraten hatte. Schließlich wollte insbesondere Viktoria Gabriel auf keinen Fall auf die Dienste der Magd verzichten müssen. Es war genug Arbeit auf dem Hof und ihre Eltern wurden älter, das merkte man inzwischen auch bei so manch körperlich anstrengender Arbeit. Zunächst aber kümmerte sich Viktoria um ihre Kinder und brachte sie ins Bett. Währenddessen räumten die alte Frau Gruber und die Magd die Küche auf. Gerade als die Magd den Holztisch abwischte, kam Viktoria wieder in die Küche, von den Kindern war nichts zu hören. Sie sagte zur Magd: „Komm mal mit.“ und ging voraus in den Flur. Dort zogen sie die Hausschlappen aus und die hölzernen Stall Pantinen an, die Magd tat es ihr gleich, und jede nahm eine Laterne in die Hand.

    Dann durchquerten sie den Stall, die Schritte der Magd mit unregelmäßigem Geräusch, denn eines ihrer Beine war kürzer. Viktoria ging voran und stieß am Ende des Stallganges die Tür zum Futterflöz auf. Es führten drei Stufen hinab auf den festgestampften Lehmboden des Futterflözes. Viktoria ging noch ein Stück hinein in den Futterflöz, rechts von sich die Strohschneidemaschine lassend, auf der gegenüberliegenden Seite sah man im schwachen Schein der mitgebrachten Laternen die Leiter, die auf den Heuboden führte. In diese Richtung rief nun Viktoria: „Kommt runter, ich will euch der neuen Magd zeigen.“ Oder rief sie: „….ich will euch die neue Magd zeigen“? Maria Baumgartner jedenfalls war sich nicht sicher, aber das war ihr auch egal. Sie würde noch weitere Menschen kennenlernen. Das machte ihr auf der einen Seite Angst, sie hatte nicht immer gute Erfahrungen mit anderen Menschen gemacht, aber andererseits mochte sie das auch, weil sie gerne jemanden hatte, der ihr zuhörte. Sie war, so würde man heute sagen, schlichten Gemütes. Früher nannte man sie einfach schwachsinnig. Das riefen ihr schon die Kinder in der Schule hinterher. Dazu kam, dass sie hinkte.

    Ein Bürgermeister, in dessen Gemeinde sie eine Anstellung gefunden hatte, hat sie des Ortes verwiesen, weil er in „seinem“ Ort keinen Krüppel haben wollte. Äußerlich ließ sich Maria nichts anmerken, aber natürlich schmerzten sie diese Erfahrungen. Um so mehr freute sie sich, wenn sie Menschen in ihrer Nähe fand, die ihr wohlgesonnen waren.

    Nachdem Viktoria gerufen hatte, konnte man scharrende und knarzende Geräusche auf dem Heuboden vernehmen, die sich Richtung Treppe bewegten. Nach kurzer Zeit war eine Person in dem schon von der Dunkelheit nahezu verschlungenem Licht der beiden Laternen zu sehen, die zu den Frauen hinabstieg. Anhand der Statur und den Bewegungen konnte man aber erkennen, dass es sich um einen Mann handelte. Langsam kam er näher und wurde für die beiden Frauen immer besser sichtbar, je näher er sich der Lichtquelle ihrer Laternen näherte. Nach ihm kam noch eine Person die Leiter hinunter, kleiner als der erste Mensch und irgendwie ungewöhnlich, so kam es zumindest der Magd vor. Beide waren in warme, aber schmutzige und schon oft geflickte Kleidung gehüllt. Auch die Gesichter waren nicht frisch gewaschen. Beide Personen standen nun recht nah bei Viktoria und der Magd und da sah Maria, was sie an der zweiten Person stutzen ließ: Es war eine Frau. Diese Frau war zwar in Männerkleidung gekleidet, aber es war eindeutig eine Frau.

    Viktoria wandt sich an die beiden Personen und übernahm das Wort: „Dies hier ist unsere neue Magd Maria.“ Und während die beiden Maria zunicken und „Griaß di“ sagten, sagte Viktoria zu Maria gewandt: „Die beiden übernachten ein paar Tage oben im Heuboden. Nicht, dass du dich wegen der Geräusche erschreckst.“ Maria schaute zuerst den Mann und dann die Frau an und erwiderte „Grüß Gott“. Dann wanderte ihr Blick zurück zum Mann, erst sah sie ihn recht nachdenklich an, dann erhellte sich plötzlich ihr Gesicht und sie sagte völlig unvermittelt: „Jetzt weiß ich, woher ich dich kenne. Du hast das gleiche Gesicht wie der kleine Josef hier. Du bist bestimmt sein Vater.“

    Ab diesem Moment überschlugen sich die Ereignisse. Es brach wie ein Vulkanausbruch aus der fremden Frau, die sich wie eine Hyäne auf Viktoria stürzte, ihre Hände um ihren Hals legte, fest zudrückte und wie von Sinnen schrie: „Du verdammte Hure, du.“ Der Mann versuchte, die Frau von Viktoria abzubringen und griff nach ihren Händen. Beide Frauen strauchelten und fielen zu Boden, der Mann stolperte über sie hinweg. Die Magd – sehr erschrocken über die völlig unerwartete Reaktion – lief so schnell sie nur konnte zurück in den Stall und durch den Flur, ohne die Holzpantinen zu wechseln, in die Küche, dort zur alten Frau Gruber etwas unverständliches rufend, und in ihre Kammer und schmiss die Zimmertür hinter sich zu. Angstvoll verkroch sie sich unter ihrem Bett.

    Wie es wirklich war – Epilog

    Wie die Geschichte weiter geht, ist mehr oder weniger gesichert, jedenfalls das Endergebnis steht fest, es kamen nämlich alle Bewohner des Hauses um und der oder die Mörder wurden nie gefasst.

    Wer die beiden Unbekannten gewesen sein könnten, ist auch der Fantasie jedes einzelnen Lesers überlassen. Es müssten auf jeden Fall Menschen gewesen sein, die durch das Bekanntwerden ihres Aufenthaltsortes viel zu verlieren gehabt hätten, denn nur das erklärt, warum bei einem eskalierenden Streit alle getötet werden mussten. Damals hatte man aber beispielsweise als gesuchter Mörder auch wirklich viel zu verlieren, die Todesstrafe war noch an der Tagesordnung.

    Wie sich sicher alle schon gedacht haben, beruht diese Geschichte natürlich nicht auf irgendwelchen überlieferten wahren Sachverhalten, das war ein plumper erster-April-Scherz. Aber die grundsätzliche Überlegung, ob diese Theorie wahr sein könnte, ist natürlich sehr willkommen.

  • Auch Hinterkaifeck hat viele Aspekte eines Amoklaufs

    Auch Hinterkaifeck hat viele Aspekte eines Amoklaufs

    »Was kränkt, macht krank, was kränkt, löst Krisen aus, Kränkungen führen zu Kriminalität und Krieg« – so lautet die Hauptthese des Buches „Die Macht der Kränkung“ (Amazon-Affiliate-Link). Der Autor Reinhard Haller (Link zu Wikipedia) ist Kriminalpsychiater und Gerichtsgutachter.

    Inspiriert von diesem Buch gibt es in der ZDF-Mediathek die Serie „Am Anschlag – die Macht der Kränkung“ zu sehen.

    Auch Hinterkaifeck hat viele Aspekte eines Amoklaufs. Wer könnte so gekränkt worden sein, dass er zu dieser Tat fähig war?

  • Sonderausstellung „Mythos Hinterkaifeck“, Beschreibung der Schaukästen

    Sonderausstellung „Mythos Hinterkaifeck“, Beschreibung der Schaukästen

    Zunächst möchte ich die weiteren Exponate genauer beschreiben.

    In einem Glasschaukasten war der Nachbau der Reuthaue zu sehen, der im zweiten Film von Kurt Hieber 2009 verwendet wurde. Im gleichen Schaukasten war ein Obduktionsbesteck um 1900 vom Deutschen Medizinhistorischen Museum Ingolstadt zu sehen. Das befindet sich in einem Holzkoffer mit exakt passenden Ausbuchtungen für die einzelnen Instrumente. Unten im Koffer sind die größeren Teile aufbewahrt und darauf befindet sich eine kleine Holzsteige mit den kleineren Instrumenten, auch jedes in einem eigenen frommäßig genau passendem Teil. So ähnlich sind heutzutage exakt passende Werkzeugplastikkoffer aufgebaut. Auf diesem Schaukasten war noch eine Arzttasche aus Leder drappiert, wie wie früher üblich waren.

    Eine weitere Ecke war passend zu Besuch der Hellseherinnen gestaltet. Ein „Schauordner“, sozusagen eine Art Stehpult, auf dem laminierte Seiten wie in einem Ordner waren, lieferte die Hintergrundinformation dazu. Daneben war ein kleines rundes Tischchen mit einer Häkeltischdecke bedeckt und darauf lag ein in Packpapier eingeschlagener künstlicher Schädel, es standen zwei silberne Kerzenleuchter darauf und eine kleine Silberschale, gefüllt mit rotem Samtstoff stand daneben. Die Silberschale hatte früher wohl mal einen Deckel, ich würde sie als Zuckerdose identifizieren.

    In einem weiteren Schaukasten war unter anderem der Originalbrief der Therese Tscherney von 1971 ausgestellt, der erneut Ermittlungen gegen die Gebrüder Schreier auslöste. Tscherneys Mutter (so steht es in der Schautafel – auf dem Hinterkaifeck-Wiki wird sie als Schwägerin bezeichnet) Kreszenz Schilling hatte diese ursprünglich mit einem handgeschriebenen Brief belastet, der von den Ermittlern als Schreibmaschinenabschrift in den Akten landete. Diese beiden Briefe sind aus dem Bestand des Bayerischen Armeemuseums.

    Es ist auch noch exemplarisch ein anonymer Brief von 1925 ausgestellt, in diesem Brief wurden die Gebrüder Thaler beschuldigt und auch dieser befindet sich im Besitz des Bayerischen Armeemuseums.

    Weiter gab es eine Seite der Ermittlungsakte gegen Wilhelm Dressel von 1922 zu sehen, der zusammen mit Adolf Gump verdächtigt wurde. Auch hier ist als Besitzer das Bayerische Armeemuseum angegeben.

    Von der Polizeiwache Wertachvorstadt (also Augsburg) ist eine handschriftlich in Kurrent verfasste Seite einer Ermittlungsakte ausgestellt, die von 1922 stammt.

    Zu sehen war auch das Hofbild, das in Hohenwart aufgetaucht ist. Das habe ich selber bereits am 3. Juli 2012 direkt vor Ort im Rathaus des Marktes Hohenwart fotografiert:

    Hofbild aus Fotoalbum, aufgetaucht in Hohenwart
    Hof Bild aus Fotoalbum, aufgetaucht in Hohenwart

    Weiter gab es noch mehrere Dokumente zu sehen, die auf die Zeit nach 1944 datiert sind und die dokumentieren, dass 1948 Akten von Augsburg nach München zum Polizeipräsidium verbracht wurden.

    Es sind auch Akten bezüglich der Ermittlungen gegenüber der Gebrüder Gabriel ausgestellt gewesen, die auf der Aussage des Waidhofener Lehrers Georg Sellwanger beruhten und wegen derer der Hohenwarter Friseur Schröffer befragt wurde. Auch weitere Unterlagen dazu waren ausgestellt, u. a. die Abschrift der Aussage der ehemaligen Magd Maria Mißel von 1937, die später wegen falscher Anschuldigenen in einer anderen Sache verurteilt worden war, das wiederum wurde in Sachen Hinterkaifeck 1953 dokumentiert.

    Zu sehen war auch eine Plakette der Königlichen kriminal Schutzmannschaft 101 München.

    Auch ein Foto des Tatverdächtigen Anton Gump, der in den 50er Jahren verdächtigt wurde sowie das Schriftstück, das die Einsstellung des Verfahrens bestätigt, waren zu sehen.

    So, nun habe ich meines Wissens nach alle Exponate, die in Schaukästen ausgestellt waren, beschrieben. Nach meiner Erinnerung gab es noch irgendwo eine nachgestellte Polizeischreibstube, da finde ich nur gerade kein Foto davon, kann es also nicht mit Sicherheit sagen.

    Ich hoffe, ihr freut euch auf weitere Beschreibungen.

  • Therese Tscherney und der Fall Hinterkaifeck

    Kreszenz Schilling und die Familienverhältnisse

    Wie bei der Beschreibung der Sonderausstellung „Mythos Hinterkaifeck“ auffiel, gibt es Unklarheiten bei der Beschriftung von zwei Briefen, die dort ausgestellt waren. Der exakte Wortlaut der Beschreibung dieser Exponate lautete:

    „1971

    Ein Brief der Therese Tscherney (links) löste trotz geschlossener Akten neue Ermittlungen gegen die Gebrüder Schreier aus.
    Die handschriftlichen Ausführungen ihrer Mutter Kreszenz Schilling (rechts) wurden von den Ermittlern mit der Maschine abgetippt und landeten als Abschrift in den Ermittlungsakten.
    Bayerisches Armeemuseum“

    Diese Formulierung wirft zumindest die Frage auf, wessen Mutter Kreszenz Schilling war. In den Ermittlungsakten steht wortwörtlich:

    „Abschrift
    der Aufzeichnungen der Frau Schilling (Mutter von Frau Tscherney) in der Mordsache Hinterkaifeck.
    Es handelt sich angeblich um Dinge, welche Frau Schreier (Mutter von Andreas und Karl Schreier) Frau Schillinger erzählt haben soll.
    Göggingen, 24.9.1971
    (Hammer) KHM“

    Das Wiki von Hinterkaifeck.net gibt auf die Frage nach den Verwandtschaftsverhältnissen folgende Antwort: Nach der Zeugenaussage von Kreszenz Schilling, die sich selbst Zenta Schilling nennt, ist Therese Tscherney ihre Schwägerin, eine geborene Schilling, also die Schwester des Mannes von Kreszenz Schilling.

    Mütter haben aber durchaus eine Rolle in diesem ganzem Geflecht gespielt. Die Schillings wohnten in Sattelberg in der Nachbarschaft der Familie Schreier. Inspiriert von einem Zeitungsbericht im Jahr 1971 schrieb nun Therese Tscherney dem Augsburger Oberstaatsanwalt, dass kurz nach den Morden die Mutter der Gebrüder Schreier damals zur Mutter der Schillings (also ihrer eigenen) gegangen wäre und hätte dieser gestanden, dass ihre Söhne die Mörder wären. Die Mutter der Schillings, Maria mit Vornamen, sei dann zum Ortspfarrer zum Beichten gegangen.

    Bezeichnend ist, dass in der Abschrift die Mutter von Zenta Schilling plötzlich zur Frau Schillinger mutiert. Genau solche Ungenauigkeiten kommen einem in Sachen Hinterkaifeck immer wieder in die Quere, als ob der Wurm drin wäre.

  • Wie es wirklich war – Teil 4

    Cilli lag, die Muskeln sprungbereit angespannt, im Bett und lauschte den Atemzügen ihres Bruders. Halbbruders eigentlich, aber für sie war es ihr kleiner Bruder. Sie fürchtete sich und malte sich die schlimmsten Szenen aus. Was, wenn niemand zurückkäme? Was, wenn am Heuboden wirklich Fremde wären? Wenn diese ihr oder dem kleinen Josef weh tun wollten? Sollten sie sich dann verstecken oder weglaufen. Aber der kleine Josef konnte noch nicht sonderlich schnell laufen. In ihrer Angst fing sie an zu beten: „Bitte, lieber Gott, mach, dass Mama und Oma und Opa bald wieder da sind.“ Immer und immer wieder wiederholte sie in Gedanken diese Zeile. Sie versprach dem lieben Gott, wenn er Mama, Oma und Opa heil wieder heim kommen ließ, würde sie jeden Sonntag mit der Mama in die Kirche gehen ohne zu murren. Und sie würde jeden Tag beten. Und immer brav sein und machen, was Mama oder Oma zu ihr sagen. Und nie wieder … da, endlich, die Haustür ging auf. Gedämpfte Stimmen klangen zu ihr, sie lauschte angestrengt, ob sie hören konnte, wer alles da war. Der Opa auf jeden Fall, den erkannte sie am Schritt. Dann ging die Schlafzimmertüre auf und die Mama guckte kurz rein und Cilli hörte, wie die Oma beim Vorbeigehen sagte: „Die schlafen doch.“ Ah, was für eine Erleichterung, alles war gut ausgegangen, Cilli war so dankbar und glücklich und konnte dann auch endlich einschlafen.

    Am nächsten Morgen half alles nichts, alle mussten wieder raus. Alle waren müde. Naja, nicht alle, Josef war munter wie immer. Aber die Erwachsenen waren müde und Cilli war todmüde. Sie hätte so im Sitzen einschlafen können. Aber das ging nicht, sie musste in die Schule. Dort würde sie sogar während des Unterrichts einschlafen. Der Lehrer nähme sich vor, mit ihrer Mutter darüber zu sprechen, aber dazu würde es nie mehr kommen.

    Auf dem Hof ging derweil das Alltagsgeschäft wie üblich weiter. Viktoria und ihr Vater arbeiteten nachmittags nochmal auf dem Feld. Beim Hinausgehen erinnerte Viktoria nochmal ihre Mutter daran, dass die neue Magd heute noch ankommen sollte. Gestern hätte sie sie schon auf dem Rückweg von Schrobenhausen mitnehmen wollen, aber da war sie nicht bei Ihrer Schwester Franziska Schäfer.

    So gegen 17 Uhr, die Sonne stand noch über dem Horizont, kam dann endlich die Magd Maria Baumgartner mit ihrer Schwester Franziska Schäfer in Hinterkaifeck an. Sie waren spät dran, weil sie sich verlaufen hatten. Die alte Frau Gruber war mit den Kindern allein im Wohnhaus, ihr Mann und ihre Tochter waren noch auf dem Feld. Nach einer kurzen Begrüßung zeigte Frau Gruber der neuen Magd das Kammerl, in dem sie wohnen würde. Die Schwester der Magd drängte auf ihren schnellen Aufbruch, denn um 19 Uhr würde es schon wieder dunkel sein und sie hätte eine einstündige Wegstrecke vor sich. Aber sie war noch da, als um halb sechs Viktoria mit ihrem Vater vom Feld heimkehrten und wechselte noch ein paar belanglose Worte mit Viktoria. Der Bauer Gruber ging gleich in den Stall, ohne bei den Frauen in der Küche reinzusehen. Nach dem kurzen Wortwechsel mit Viktoria brach Franziska Schäfer eilig auf. Maria Baumgartner sah ihr noch von der Haustür aus nach und sie winkten sich zu.

    Als Maria Baumgartner in die Küche zurückkehrte, sagte Viktoria zu Maria, dass sie ihr die Stallarbeit morgen früh zeigen würde, jetzt solle sie sich erst mal von dem anstrengenden Marsch erholen. Damit wollte Viktoria unbedingt verhindern, dass Maria Baumgartner gleich davon erführe, dass sich noch zwei weitere Menschen auf dem Hof befinden. Diese Tatsache würden sie ihr erst nach dem Essen mitteilen, den dann wäre die Nacht schon so weit hereingebrochen, dass Maria unmöglich umgehend noch zurück nach Kühbach gehen könnte. Und bis morgen sähe vieles schon wieder anders aus. Maria ging also der alten Frau Gruber bei der Vorbereitung der Brotsuppe zur Hand, Josef saß derweil unter dem Küchentisch. Viktoria und ihr Vater waren im Stall mit melken, misten und füttern beschäftigt und stellten auch Brot und Milch für die beiden Männern im Heuboden oben auf die Treppe zum Heuboden hin.

    Danach kehrte sie in die Küche zurück und zum ersten und auch zum letzten Mal saßen die Altbauern mit ihrer Tochter, ihren Enkeln und der neue Magd gemeinsam am Küchentisch, der alte Gruber sprach ein Tischgebet und danach wurde gemeinsam die Brotsuppe gegessen. Allerdings blieb ein ziemlich großer Rest übrig, die alte Gruberin hätte gedacht, dass die Magd mehr essen würde.

  • Ein ähnliches Verbrechen wie in Hinterkaifeck

    Bluttat im Einödhaus

    Bluttat in Stuben

    Ein Racheakt?

    In der Nacht zum Donnerstag ereignete sich in dem mitten im Walde gelegenen Weiler Stuben, einige Kilometer von Pöttmes, eine schwere Bluttat, bei der zwei Einbrecher dem Gütler und Rechenmacher Haberl und seiner 12-jährigen Tochter die Schädeldecke einschlugen, sodass bei beiden Lebensgefahr besteht. Das am Ortsrande gelegene Anwesen bewohnte der Gütler mit seinen beiden Töchtern und einer zwölfjährigen Enkelin. Das Kind hatte schon beim Einschlafen im Wohnzimmer Geräusche gehört. Kurz nach dem Zubettgehen der Erwachsenen hörten die Töchter aus ihrem gemeinsamen Schlafzimmer vom Wohnzimmer her Schläge gegen die Mauer. Es ergab sich, dass aus dem Fensterstock Mauersteine herausgebrochen waren. Die beiden Frauen wagten sich nicht vors Haus, sondern legten sich nach einiger Zeit in der Küche schlafen. Als bald darauf weitere Mauersteine herausgebrochen wurden und die Täter eingestiegen waren, flüchtete das 12-jährige Mädchen ins Freie, während die Täter ins Schlafzimmer Haberl gelangten, dem sie mit einem schweren Gegenstand die Schädeldecke einschlugen. Die beiden Töchter flüchteten in den Obstgarten, wo sich Therese Haberl mit einer Mistgabel zur Wehr setzte. Sie erhielt einen Schlag auf den Kopf, sodass ihr ebenfalls die Schädeldecke zertrümmert wurde. Bis nun die andere Schwester Hilfe herbeigeholt hatte, waren die Verbrecher im Wald verschwunden.

    Über das Motiv der Tat ist man noch vollkommen im Unklaren. Bereits am 29. September abends hatten zwei Männer einen Einbruch versucht. Einer der Täter wurde vermutlich durch einen Stich mit einer Mistgabel verletzt. Vielleicht führt dieser Umstand zur Entdeckung der Täter und zur Aufklärung der Untat, denn im Einödhaus Haberl dürfte nicht viel zu holen gewesen sein.

    Im Übrigen erinnert der blutige Überfall an das Verbrechen in Hinterkaifeck, das heute noch im Dunkel(n) liegt. Es sei auch darauf hingewiesen, dass auch der Ort dieser neuen Bluttat in der Gegend von Aichach-Schrobenhausen liegt, wie Hinterkaifeck.

    Die Bluttat in Stuben

    Zu dem schweren Verbrechen auf dem Weiler Stuben teilt die „Augsburger neueste Nachrichten“ ergänzend mit, dass ein Racheakt als ausgeschlossen gelten könne. Nach der ganzen Sachlage müsse angenommen werden, dass es die Einbrecher auf Geld abgesehen hatten. Haberl, der im Volksmund den Namen „Baron von Stuben“ führte, galt als sehr vermögender Mann, trotzdem zurzeit des Überfalls, der ganze Barbestand im Hause Haberls nur 30 Mark betrug. Als Täter kommen zwei Leute in Betracht, welche die örtlichen Verhältnisse bei dem Landwirt Haberl sehr gut kannten. Die beiden Töchter befinden sich noch immer in Lebensgefahr.

    Stadtarchiv Wasserburg WA 13.10.1931-S.5

    Hinterkaifeck liegt vom Weiler Stuben 30 km entfernt. Viktoria Haberl, starb als Rentnerin am 19.01.1956, ihr Berufs – oder Lebensort war Kühnhausen. Theresia Haberl starb am 15.02.2003 in Germaringen, wie die Schwester lebte sie in Kühnhausen.