Verbrechen aus Bayern

Mord, Raub und andere Fälle

Schlagwort: Hinterkaifeck

Stefan Jörg berichtet über die Bluttat von Hinterkaifeck So richtig kannte sich eigentlich kein Mensch in den benachbarten Dörfern Waidhofen und Gröbern mit den Bewohnern der Einöde Hinterkaifeck aus.

  • Rezension des Buches von Autor Mathias Petry

    Auf das Buch „Nicht nur ein Mord“ von Mathias Petry wurde ich durch einen Beitrag des Autors selber in der Hinterkaifeck-Gruppe auf Facebook aufmerksam. Ich habe es mir in der Kindle-Version zugelegt.

    Dort bekommt man ja (vermutlich je nach Einstellung, das weiß ich nicht genau) angezeigt, wie lange man in etwa an dem Buch zu lesen hat und ich war etwas irritiert, denn innerhalb von guten zwei Stunden sollte das Buch ausgelesen sein können. Nun gut, Länge alleine sollte ja nicht ausschlaggebend sein, meine Kurzgeschichten „Wie es wirklich war“ und „Des Xaverl wars“ hier zeichnen sich ja auch nicht durch übermäßige Länge aus.

    Bereits im ersten Kapitel weist Mathias Petry darauf hin, dass er viele Informationen aus der Internet-Seite hinterkaifeck.net entnommen hat. Auch ich habe schon in Archiven geforscht, nicht nur, aber auch in Sachen Hinterkaifeck – Blut und Wasser hat da sicherlich niemand schwitzen müssen, wie vom Autor auf Seite 10 kolportiert. Unbestritten hat hinterkaifeck.net aber ein umfassendes Archiv. Um so mehr erstaunt es, dass der Autor, der von sich selber behauptet, er hätte als Journalist gelernt, wie Recherche geht, in seinem Buch aus Andreas Gruber einen hoch gewachsenen Mann mit annähernd 190 cm Körpergröße machen kann, hätte doch eine kurze Recherche ergeben, dass Andreas Gruber mit 165 cm eher geringer Körpergröße war. Diese unlogischen Vorgänge finden sich aber leider an mehreren Stellen dieses Buches. Ich frage mich beispielsweise, warum der Oberleutnant Mehnert, Handamputiert, seine Rechte Hand benötigt, um den linken Armstumpf in der Manteltasche zu verstauen. Das würde zusätzlich zur Amputation auch noch auf eine Parese des linken Armes deuten und ich halte es für ausgeschlossen, dass jemand mit solchen körperlichen Einschränkungen noch als dienstfähig eingestuft worden wäre. Dann wage ich hier mal eine Vermutung: Mathias Petry war nie bei der Bundeswehr. Anders sind mir der Lapsus bezüglich der Szene des ersten Zusammentreffens des Oberleutnants mit seinen zwei Vasallen und den Bewohnern von Hinterkaifeck nicht erklärbar. Oder wie soll ich mir vorstellen, dass die beiden Soldaten ihre Waffen zwar im Anschlag (aber noch nicht durchgeladen, das erklärt sich erst weiter unten), aber nicht auf die Menschen im Hof gerichtet hätten. Auf wen dann? Auf den Oberleutnant himself? Auf die Stallwand? Den Acker? Wäre es nicht viel sinnvoller gewesen, wenn die Soldaten die Hinterkaifecker im Auge behalten hätten, statt mit ihren Waffen im Anschlag in der Gegend herumzuglotzen? Nach dem verbalen Schlagabtausch der beiden Parteien sollen sich dann der Oberleutnant mit seinen Soldaten Richtung Hexenholz zurückgezogen haben, und dabei haben die Soldaten ihre Waffen durchgeladen. Und mit den durchgeladenen Waffen sind sie dann ihrem Anführer nachgetapert. Ganz ehrlich, das hat was von Slapstick und Monty Python, aber leider so gar nichts von Recherche. Im Kapitel 4 schreibt Petry dann, dass die Soldaten der Reichswehr am Morgen erneut in das Gehöft einsickern möchten. Nur – bisher waren sie noch gar nicht irgendwo eingesickert, sondern haben sich eben mit den Hinterkaifeckern vor dem Stall unterhalten.

    Weiter geht es im Text. Unter der Woche wird auf Hinterkaifeck, denen oft Geiz unterstellt wird, Kaffee getrunken. Und Gruber hat Flugzeuge versteckt. Aber gut, das sei der künstlicherischen Freiheit des Autors geschildert.

    Leider hat der Autor auch wenig Ahnung vom bäuerlichen Leben. Beispielsweise unterstellt er auf Seite 22 dem Andreas Gruber, dass er für den kleinen Josef die Kindsmagd geben hätte müssen. Der Bauer selber, obwohl seine ältere Frau sicherlich auch im Haus beschäftigt war. Da antworte ich auch mal mit einem Nicht-Satz: Never ever!

    Und dann der Dialog zwischen Andreas Gruber und Viktoria Gabriel, in dem die Tochter dem Vater eröffnet, dass sie aus ihrem „erbärmlichen Leben“ fliehen und mehr vom Leben als nur Arbeit haben möchte. Andreas Gruber entgegnet ihr darauf hin: „Du? Schau dich doch einmal an. Du bist eine Bäuerin und sonst gar nichts. Du bist als Bäuerin geboren, und du wirst als Bäuerin in deiner Grube enden.“ Ich schäme mich an dieser Stelle fremd für den Autor und möchte mich bei allen Landwirten entschuldigen. Mir ist es durchaus bewusst, dass das Leben als Landwirt ein Leben in Unabhängigkeit und Selbständigkeit bedeutet und auch damals bedeutete. Im Gegenteil, der Bauernstand war und ist zu Recht stolz auf seinen Stand. Wer sich übrigens einen Einblick über das Leben in der Stadt in dieser Zeit verschaffen möchte, dem kann ich das Buch oder den gleichnamigen Film „Die Rumplhanni“ empfehlen.

    Es sind auch einfach inhaltliche Fehler enthalten, beispielsweise fällt auf Seite 38 der Satz „Die Mutter hat ihn (Anm.: den Hof) übergeben.“ Das stimmt natürlich nicht, es waren beide Eltern, denn seit dem Ehe- und Erbvertrag zwischen Andreas Gruber und Cäzilia Asam waren auch beide Eigentümer des Hofes.

    Auch dass die Grubers in der Fastenzeit ihren Schinken schon selber gegessen haben sollen, kann ich mir nicht recht vorstellen, aber es zeigt, dass der Autor leider wenig Einfühlungsvermögen für die damaligen katholischen Gegeben- und Gepflogenheiten hat.

    In dem Buch auf Seite 24 ist auch eine Szene zwischen Viktoria Gabriel und der Schwester der später getöteten Magd beschrieben, die die Vermutung aufkommen lassen könnten, dass sich die beiden Frauen intensiver zueinander hingezogen fühlen könnten als nur freundschaftlich verbunden. Frauen, die sich bei der Begrüßung umarmen, nachdem sie sich versichert haben, dass sie nicht beobachtet werden und die dann gemeinsam in einer Zeitung blättern, sich unterhalten und sich dabei noch vertraut an beiden Händen fassen können, waren damals mit Sicherheit nicht der Regelfall von sozialen Interaktionen zwischen zwei Frauen, die nach bisherigem Kenntnisstand keinerlei Berührungspunkte im Leben hatten, sondern sich erst durch die Arbeitsvermittlerin Rockesmüller kennengelernt haben. Warum sonst hätte sich die Schwester der Magd nicht gleich direkt an ihre Busenfreundin Viktoria wenden sollen, als sie eine Stellung für ihre Schwester suchte?

    Historisch lässt der Autor hier drei Soldaten der Reichswehr den Auftrag erfüllen, den Gruber, der die Reichswehr erpresst haben soll, zum Schweigen zu bringen, aber ohne Aufsehen. Fememord kommt also aus welchen Gründen auch immer nicht in Betracht. Gleichzeitig wundert es etwas, dass hier die Reichswehr selber vorgegangen sein soll, denn um solche Imponderabilien zu vermeiden, war es eben nicht die Reichswehr selber, die sich entgegen den Bestimmungen der Versailler Verträge verhalten hat, sondern es wurden entsprechende illegale paramilitärische Formationen heimlich mit Geld unterstützt. Es wäre also mitnichten darum gegangen, einen weiteren Krieg zu verhindern, wie der Autor auf Seite 16 behauptet.

    Literarisch ist das Werk gemischt. Einerseits finden sich wirklich schöne Formulierungen, andererseits erstaunte es mich, dass jemand mit journalistischer Ausbildung tatsächlich ein Buch mit solch Twitter-ähnlichem Duktus veröffentlicht. Bereits auf Seite neun erstaunt mich der Autor mit den Worten „Nichts muss. Alles kann.“, die mich sehr an Kontaktanzeigen mit eindeutig erotischem Inhalt erinnern. Auch eine Seite weiter finde ich das Ende des durchaus ansprechenden Absatzes über die verschiedenen Möglichkeiten der Blickwinkel mit dem Ergebnis, dass eins plus eins noch lange nicht zwingend zwei gäbe und dem dann folgenden Nicht-Satz „Aus Gründen.“ unpassend. Vielleicht erklärt diese Sichtweise des Autors auf für mich zwingende Schlussfolgerungen, wie 1 + 1 = 2, die vielen Logikbrüche in dem Buch.

    Zwischenrein muss man auch den Schmalztopf unter das Buch stellen, so schnulzig wird es. Beispielsweise könnte die Beschreibung von Franziska Gabriel, die Mutter des gefallenen Karl Gabriel und somit die Schwiegermutter von Viktoria Gabriel, zu Beginn von Kapitel acht auch direkt von Rosamunde Pilcher stammen. Und auch da – nach wenigen Sätzen – wieder ein logischer Fehler: Bei der Hochzeit von Viktoria und Karl Gabriel war der Inzest noch gar nicht gerichtsmäßig bekannt, die Anzeige dazu wurde erst Ende 1914 oder Anfang 1915 erstattet.

    Es gäbe noch viele Einzelheiten anzusprechen, die unlogisch, falsch oder schwer vorstellbar sind, aber das würde den Rahmen eines Blogartikels deutlich sprengen. Ich gebe zu, je länger ich las und um so mehr sachliche Fehler ich fand, desto uninteressanter fand ich das Buch insgesamt. Für mich muss ein Buch inhaltlich stringent sein, Beschreibungen von Szenen müssen so aufgebaut sein, dass ich einen innerlichen Film ablaufen lassen kann. Das ist bei dem Buch leider nicht gegeben, daher habe ich es mit zunehmender Seitenzahl auch zunehmend nur noch quer gelesen.

    Endgültig ausgestiegen bin ich, als in Kapitel zehn Karl Gabriel vom Deserteur (auch wenn er seine Marke gewechselt hat, war er ein Deserteur, zwar nicht mehr Karl Gabriel, aber Deserteur) im Jahr 1915 zum Ochsenmarktbesucher in Schrobenhausen im Jahr 1926 zum russischen Kommissar 1943 gewandelt hat ohne Erklärung von Mathias Petry, wie das zugegangen sein soll.

    Lustig auch die Schlussszene: Gruber versucht, ein Loch für die von ihm gemeuchelten Leichen im Stall auszuheben (das wurde auch schon in einem vorhergehenden Kapitel angesprochen). In einen – Zitat vom Autor – gefrorenen, steinharten Boden. So ein Boden in einem Stall ist nicht gefroren, Hinterkaifeck ist nicht in Sibirien, wo der Stall auf Permafrost errichtet worden wäre. Steinhart trifft es allerdings sehr gut. So ein Stallboden damals war verdichtet von den Klauen der darauf lebenden Tiere. Kühe wiegen gut und gerne mal eine halbe Tonne, haben relativ kleine Auflagefllächen auf den Paarhufen und verdichten somit über Jahrzehnte (so lange war da schon Stall) den Boden wirklich steinhart. Da beschickt man mit einer Schaufen nichts. Gar nichts. (Anscheinend mag ich den Duktus von Petry mehr als mir lieb ist).

    Das beste am dem Buch ist im letzten Kapitel zu finden. In der Tat finde auch ich es keinesfalls ausgeschlossen, sondern im Gegenteil gut vorstellbar, dass Reingruber von oben zum „Nicht-Ermitteln“ gezwungen worden war. Ist es ja schon merkwürdig genug, dass dieser Fall keinen Eingang in die Memoiren von Reingruber gefunden hat.

    Fazit: Ein gutes Buch zum Einstieg für Hinterkaifeck-Neulinge, allerdings nur unter Vorbehalt, denn der Eindruck, hier würden nur erwiesene Tatsachen beschrieben, ist leider völlig verkehrt. Für erfahrene Hinterkaifeckologien meiner Meinung nach rausgeworfenes Geld.

  • Mordfall Hinterkaifeck, Des Xaverl wars – Teil 4

    Im Februar 1917 änderte sich für die Bauernfamilie einiges. Der Zar wurde gestürzt und eine provisorische Regierung übernahm die Macht. Alles geriet durcheinander, man wusste nicht, was kommen würde. Die Einstellung zu den Gefangenen seitens der Bewacher in den Gefangenenlagern kippte, teilweise betrachteten sie sie jetzt als Genossen (vgl. Wurzer, 2005, Seite 208). Auch die Situation der Gefangenen auf den Bauernhöfen veränderte sich, Xaver zum Beispiel musste ab sofort nicht mehr im Stroh schlafen, sondern durfte die Knecht Kammer nutzen (vg. Wurzer, 2005, Seite 364). Allerdings zerschlugen sich seine Hoffnungen auf eine baldige Rückkehr in die bayerische Heimat. Die Versorgungslage in Russland wurde zusehend schlechter. Einerseits schien weder Geld noch die nötigen Eisenbahnen da zu sein, um die Gefangenen transportieren zu können und andererseits wurde jede Hand dringend gebraucht. Große Teile der Bevölkerung litten Hunger und die Gefangenen spielten auch eine wichtige Rolle als Arbeitskräfte für die russische Kriegswirtschaft (vgl. Nachtigal, 2003, Seite 214 ff.). Noch war der Krieg ja nicht zu Ende.

    Russischer wolhynischer Bauer

    So verging der Sommer und der Herbst begann. Mit ihm kam im Oktober dann die Oktoberrevolution. Was vorher alles provisorisch war, wurde nun gefühlt in Stein gemeißelt: Die Bolschewiki übernahmen die Macht, der Zar war schon abgesetzt und ab jetzt regierten die Arbeiter und Bauern – und Lenin. Es waren viele Hoffnungen für die einfachen Menschen mit diesem Machtwechsel verbunden, so auch für die Bauernfamilie, bei der Xaverl arbeitete. Aber eine Rückkehr in die Heimat schien für Xaverl in weite Ferne zu rücken, denn dem Land ging es schlecht und es brauchte jede helfende Hand, die es bekommen konnte.

    Literaturverzeichnis:

    • Nachtigall Reinhard, 2003, Russland und seine österreichisch-ungarischen Kriegsgefangenen (1914-1918), Verlag Bernhard Albert Greiner, Remshalden
    • Wurzer Georg, 2005, Die Kriegsgefangenen der Mittelmächte in Russland im Ersten Weltkrieg, v & R Uni press, Göttingen
  • Mordfall Hinterkaifeck, Des Xaverl wars – Teil 3

    Nun hat ihn also der Krieg erwachsen gemacht, den Jüngling, der mit nicht mal 21 Jahren in russische Gefangenschaft geriet.

    Xaver Gabriel von der Veteranentafel Waidhofen

    Er kam auf einen kleinen Bauernhof, der „Panje“ hatte ihn vorher sorgfältig geprüft, seine Muskeln abgetastet und ihn als nützlich für seinen Bauernhof eingeschätzt. Xaver wurde auf dem Hof mitgenommen und weil er sich gut in der Landwirtschaft auskannte, konnte er umgehend mit der Arbeit beginnen. Nach einiger Zeit wurde er behandelt wie der eigene Sohn. Er bekam freie Kost und Logis und drei Rubel monatlichen Lohn. Die Arbeit war zwar schwer und viel, es wurde mit dem ersten Morgengrauen begonnen und endete erst nach Sonnenuntergang, aber es drohten keine Gefahren durch Seuchen oder die Willkür der Aufpasser wie in den Langern.

    Auf dem Bauernhof lebten der Bauer Andrej, seine Frau Jekaterina und die erwachsene Tochter Olga sowie die Enkelin Ljudmilla. Olgas Mann war im Krieg gefallen, ebenso wie ihr älterer Bruder, sie litt schrecklich unter beiden Verlusten. Ihr Töchterlein Ljudmilla war noch ein kleines Baby, sie war erst im April 1916 auf die Welt gekommen. Xaver zerriss es das Herz, wenn er die bleiche Olga mit verweinten Augen ihren Aufgaben nachgingen sah. So eine Frau, ja so eine Familie, hätte er sich für seinen Bruder Karl gewünscht, stattdessen hat die Schwiegermutter von Karl die Nachricht von seinem Tod mit „Jetzt ist die Scheidung schon da.“ kommentiert. Herzloses Gesindel, diese Hinterkaifecker. Die Eltern von Olga litten auch darunter, ihren einzigen Sohn verloren zu haben und noch mehr schmerzte es sie, ihre Tochter so leiden zu sehen. Und zu all dem war auf dem Hof viel Arbeit und es musste noch viel von Hand gemacht werden, wofür man in Bayern schon Motoren hatte. So mühte sich Xaver von frühmorgens bis spätabends redlich, soviel Arbeit wie möglich zu schaffen. Wenn er an die Hinterkafecker dachte, bekam er eine grenzenlose Wut, er schwor sich, eines Tages seinen Bruder zu rächen. Je wütender er war, desto kraftvoller packte er zu, er wurde kräftiger und kräftiger und war bald unersetzlich auf dem Bauernhof. Gleichzeitig lernte er fast wie von selbst die russische Sprache.

  • Mordfall Hinterkaifeck, Des Xaverl wars – Teil 2

    Xaver Gabriel hatte noch die Verurteilung von Andreas Gruber und Viktoria Gabriel erlebt, die im Mai 1915 ausgesprochen wurde. Als die beiden aber ihre Strafe antreten mussten, war er bereits in Frankreich an der Front. Von dort wurde er im April 1916 an die Ostfront in die Ukraine verlegt. Viktoria Gabriel hatte zu diesem Zeitpunkt ihre einmonatige Haftstrafe bereits abgesessen, Andreas Gruber war aber noch im Zuchthaus, das würde er erst im Januar 1917 verlassen dürfen.

    Diesen schmählichen Moment, wenn Andreas Gruber wieder in Freiheit sein würde, erlebte Xaver aber nicht mehr, denn er war in der Ukraine an den Kämpfen an den Flüssen Styr und Stochod beteiligt. Bereits am 10. Juni 1916 überschreiten die Russen den Styr und stehen drei Tage später am Stochad, südöstlich des strategisch wichtigen Eisenbahnknotenpunktes Kowel. Am 18. Juni 1916 gelingt es den Russen, Czernowitz zu erobern. Auch die Orte Kolomea, Delatyn und Stanislau müssen jetzt geräumt werden. (Quelle: Janusz Piekalkiewicz, 1994, Der erste Weltkrieg, Seite 381). Trotz intensiver Anstrengung der Russen, unterstützt von Tscherkessen und Kosaken, gelingt es nicht, Kowel zu erobern. Wer möchte, kann sich die verschiedenen Orte auf Google-Maps ansehen.

    In der Nähe der genannten Kriegsschauplätze, in Mlysk, gab es auch ein Gefecht. Es kämpften dort aus Bayern das kgl. bayer. 3. Infanterie-Regiment (Prinz Karl von Bayern), das kgl. bayer. 22. Infanterie-Regiment (Fürst Wilhelm von Hohenzollern) zusammen mit dem Reserve-Infanterieregiment 13, dem Xaverl Gabriel angehörte. Bei diesem Gefecht wurden von den Russen über 600 Gefangene gemacht, auch Xaver Gabriel war darunter. Die meisten deutschen Soldaten wurden nach Sibirien gebracht, meist ohne Bewachung – wer weglief, starb auf der Flucht an den widrigen Lebensumständen. Xaver Gabriel aber musste nicht nach Sibirien und dort im Berg- oder Straßenbau arbeiten. Seine umfangreichen Kenntnisse der Landwirtschaft verhalfen ihm zunächst zu einem Lagerplatz im westlichen Gebiet Russlands und einem Einsatz in der Landwirtschaft.

    Übersichtskarte Ostfront 1916

    Das Kreuz in dem Bild zeigt in etwa die Stelle, an der Xaver Gabriel seit dem 21.06.1916 vermisst wurde.

    Weitere Links zu dem Zeitgeschehen:

  • Mordfall Hinterkaifeck, Des Xaverl wars – Teil 1

    Eine weitere Theorie zu den bisher veröffentlichten könnte folgende sein:

    Er sah er sie jeden Sonntag in der Kirche und manchmal auf dem Feld bei der Arbeit, aber erst seit er ungefähr zehn Jahre alt war, fiel ihm auf, wie schön sie war: Viktoria Gabriel, die Nachbarstochter. Sie war gute acht Jahre älter als er, bereits eine Frau als er noch auf der Schwelle zum Mannsein stand. Ihre brünetten Haare hatte sie immer sonntags akkurat nach oben gesteckt und trug darauf einen schwarzen Hut. Ihr Sonntagsgewand hatte eine gute Passform und setzte die Vorzüge ihrer Brüste perfekt in Szene. Eng geschnitten schmiegte sich das Kleid nah an den flachen Bauch, um auf Taillenhöhe in ein üppig geschnittenes Rockteil über zu gehen, dass die Form des Beckens und die Konturen der Oberschenkel und der Kniee völlig verdeckte. Unterhalb des knöchellangen Rocksaumes konnte Xaverl die schlanken Fesseln Viktorias in den Schuhen mehr erahnen denn wirklich sehen. Er konnte ihr stundenlang zusehen, wie sich beim Singen – sie war die erste Sopranistin des Kirchenchores – ihre Brust beim Atmen hob und senkte. Und er hatte viel Gelegenheit, dies zu tun, denn er ließ sich oftmals einteilen, den Blasebalg für die Orgel zu betätigen. Das war zwar im Vergleich zu den Ministrantendiensten körperlich ungleich anstrengender und man war auch nicht im Abglanz des Altars, des Pfarrers, der heiligen Hostien und der glänzenden Monstranz, aber das war ihm egal, ihm war es Lohn genug, wenn er nur Viktoria verstohlen anstarren und bewundern durfte.

    So gingen die Jahre ins Land. Xaver träumte davon, eines Tages Viktoria heiraten zu können. Der Altersunterschied dabei schien ihm nicht so wichtig, war doch Viktorias Vater auch erheblich jünger als ihre Mutter. Er hatte, obwohl er inzwischen durchaus im entsprechenden Alter war, keine Augen für andere Mädchen seines Alters. Er hatte nur Augen für Viktoria. Nachts lag er wach in seinem Bett und malte sich die schönsten Erlebnisse mit seiner Angebetenen aus.

    Dann aber zerplatzten seine Tagträume wie eine Seifenblase. Nein, eigentlich mehr wie ein mit einer Nadel angestochener Luftballon, es tat in seinem Herzen einen lauten Knall. Viktoria – seine Viktoria – sollte die Frau seines Bruders Karl werden. Es waren eh zu viele Söhne auf dem Hof der Gabriels, da war es gut, wenn einer wegheiratete und ein eigenes Sach bekam und sein Bruder war nun mal älter als er und passte deswegen auch besser zur Viktoria. Sein Verstand konnte das gut nachvollziehen, aber sein Herz war schwer dabei. Immerhin konnte er aber auf die Weise seiner Viktoria als ihr Schwager nahe sein, das war immer noch besser, als wenn sie einen wildfremden Mann geheiratet hätte.

    So zog das Frühjahr 1914 ins Land und Xaver half, so oft es ihm möglich war, mit auf dem Hof der Hinterkaifecker, der seit der Heirat zur Hälfte auch seinem Bruder gehörte. Er stellte aber schon bald fest, dass das Leben dort auf Hinterkaifeck – insbesondere das Leben seines Bruders dort – in keinster Weise dem entsprach, wie er sich das Leben des Bauern dort vorgestellt hatte. Der Vater von Viktoria, Andreas Gruber, führte, obwohl der Hof schon überschrieben war, immer noch das Regiment. Das beinhaltete, dass er über alle Vorgänge auf dem Hof eigenmächtig entschied, die Fruchtfolge festlegte, das weitere Vorgehen bezüglich des Viehs bestimmte, die technische Ausstattung ohne sich mit den jungen Bauersleuten zu besprechen erweiterte und – und das war das schlimmste in Xaverls Augen – sich weiterhin an seiner Tochter verging. Zunehmend belastete es Xaverl, was sich dort abspielte. Einerseits schämte er sich für seinen Bruder Karl, der offenbar nicht das Zeug besaß, mal ordentlich auf den Tisch zu hausen und ein für alle Mal klarzustellen, wer jetzt hier der Herr im Haus war. Andererseits tat ihm Viktoria so unendlich leid, die hin und hergerissen war zwischen dem Wunsch, ihrem Mann eine gute Ehefrau zu sein und ihrem Vater eine gehorsame Tochter. Xaverl zog sich also mehr und mehr aus dem Hof von Hinterkaifeck zurück und schob immer öfter vor, daheim in Laag unabkömmlich zu sein.

    Aber auch an Karl gingen die Vorgänge nicht spurlos vorüber. Er wollte sogar eines Tages zurück nach Laag ziehen, denn er merkte, dass er sich nicht durchsetzen konnte. Damit waren aber seine Eltern ganz und gar nicht einverstanden, man hatte nicht viel Geld investiert, damit der Junge nicht besitzlos vor den Hinterkaifeckern da stand um es jetzt kampflos den Hinterkaifeckern zu überlassen. Karl fand aber eine gute Möglichkeit, sich dem Dilemma zu entziehen: er meldete sich freiwillig für den Kriegsdienst des gerade ausgebrochenen ersten Weltkrieges und war schon im August 1914 in einer Kaserne in Ingolstadt, fernab von allem Gerangel daheim. Im Dezember war seine Ausbildung abgeschlossen und er kam an die Front nach Frankreich, dort fiel er nur vier Tage später im Dezember 1914.

    Die Geburt seiner Tochter im Januar 1915 erlebte er nicht mehr, es ist nicht mal sicher, ob er wusste, dass seine Frau schwanger war. Sie hatte es ihm jedenfalls nicht mitgeteilt, sie hat ihm gar keine Feldpost geschrieben. Im Hause Gabriel herrschte alles andere als reine Freude über das Enkelkindchen, denn Xaverl hat natürlich daheim erzählt, welche Zustände auf Hinterkaifeck herrschten. Ein direkter Nachfahre von Karl Gabriel konnte die Erbfolge des Hofes von Laag durcheinander wirbeln. Wäre Karl Gabriel kinderlos gefallen, hätte seine Ehefrau seinen damaligen Besitz geerbt, aber niemand hätte seine Finger nach dem Erbe von Viktorias Schwiegereltern ausstrecken können. Dieses Kind aber, das hatte die Macht dazu. Aber als ob das alleine nicht schon schlimm genug war, nein, zusätzlich konnte man nicht mal mit Sicherheit sagen, ob das Kind tatsächlich auch aus Karl Gabriels eigenem Fleisch und Blut bestand. Ebenso gut wäre es nämlich möglich, dass Cäzilia Gabriel ein Produkt aus dem inzestösen Verhältnis ihrer Mutter und ihrem Großvater war.

    Karl Gabriel sen. sah sich gezwungen, dagegen anzugehen und zeigte Andreas Gruber und seine Tochter Viktoria Gabriel wegen Inzestes an. Bei der Gerichtsverhandlung sagte u. a. auch Xaverl Gabriel aus, was er auf dem Hof alles gesehen und erlebt hatte und dies reichte, um die beiden wegen Inzests zu verurteilen. Es reichte aber nicht, um Cäzilia Gabriel aus der Erbfolge der Gabriels aus Laag zu tilgen, denn ein ehelich geborenes Kind hat automatisch den Ehemann der Mutter zum Vater, unabhängig von genetisch tatsächlichen Gegebenheiten. Das ist übrigens bis zum heutigen Tage so, festgelegt im § 1592 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB).

    Unabhängig von all diesen persönlichen und privaten Unbilden drehte sich das Rad der Weltpolitik und damit des Weltkrieges unablässig weiter und so wurde 1915 auch Xaver Gabriel eingezogen.

  • Sonderausstellung „Mythos Hinterkaifeck“, Beschreibung der Schaukästen

    Sonderausstellung „Mythos Hinterkaifeck“, Beschreibung der Schaukästen

    Zunächst möchte ich die weiteren Exponate genauer beschreiben.

    In einem Glasschaukasten war der Nachbau der Reuthaue zu sehen, der im zweiten Film von Kurt Hieber 2009 verwendet wurde. Im gleichen Schaukasten war ein Obduktionsbesteck um 1900 vom Deutschen Medizinhistorischen Museum Ingolstadt zu sehen. Das befindet sich in einem Holzkoffer mit exakt passenden Ausbuchtungen für die einzelnen Instrumente. Unten im Koffer sind die größeren Teile aufbewahrt und darauf befindet sich eine kleine Holzsteige mit den kleineren Instrumenten, auch jedes in einem eigenen frommäßig genau passendem Teil. So ähnlich sind heutzutage exakt passende Werkzeugplastikkoffer aufgebaut. Auf diesem Schaukasten war noch eine Arzttasche aus Leder drappiert, wie wie früher üblich waren.

    Eine weitere Ecke war passend zu Besuch der Hellseherinnen gestaltet. Ein „Schauordner“, sozusagen eine Art Stehpult, auf dem laminierte Seiten wie in einem Ordner waren, lieferte die Hintergrundinformation dazu. Daneben war ein kleines rundes Tischchen mit einer Häkeltischdecke bedeckt und darauf lag ein in Packpapier eingeschlagener künstlicher Schädel, es standen zwei silberne Kerzenleuchter darauf und eine kleine Silberschale, gefüllt mit rotem Samtstoff stand daneben. Die Silberschale hatte früher wohl mal einen Deckel, ich würde sie als Zuckerdose identifizieren.

    In einem weiteren Schaukasten war unter anderem der Originalbrief der Therese Tscherney von 1971 ausgestellt, der erneut Ermittlungen gegen die Gebrüder Schreier auslöste. Tscherneys Mutter (so steht es in der Schautafel – auf dem Hinterkaifeck-Wiki wird sie als Schwägerin bezeichnet) Kreszenz Schilling hatte diese ursprünglich mit einem handgeschriebenen Brief belastet, der von den Ermittlern als Schreibmaschinenabschrift in den Akten landete. Diese beiden Briefe sind aus dem Bestand des Bayerischen Armeemuseums.

    Es ist auch noch exemplarisch ein anonymer Brief von 1925 ausgestellt, in diesem Brief wurden die Gebrüder Thaler beschuldigt und auch dieser befindet sich im Besitz des Bayerischen Armeemuseums.

    Weiter gab es eine Seite der Ermittlungsakte gegen Wilhelm Dressel von 1922 zu sehen, der zusammen mit Adolf Gump verdächtigt wurde. Auch hier ist als Besitzer das Bayerische Armeemuseum angegeben.

    Von der Polizeiwache Wertachvorstadt (also Augsburg) ist eine handschriftlich in Kurrent verfasste Seite einer Ermittlungsakte ausgestellt, die von 1922 stammt.

    Zu sehen war auch das Hofbild, das in Hohenwart aufgetaucht ist. Das habe ich selber bereits am 3. Juli 2012 direkt vor Ort im Rathaus des Marktes Hohenwart fotografiert:

    Hofbild aus Fotoalbum, aufgetaucht in Hohenwart
    Hof Bild aus Fotoalbum, aufgetaucht in Hohenwart

    Weiter gab es noch mehrere Dokumente zu sehen, die auf die Zeit nach 1944 datiert sind und die dokumentieren, dass 1948 Akten von Augsburg nach München zum Polizeipräsidium verbracht wurden.

    Es sind auch Akten bezüglich der Ermittlungen gegenüber der Gebrüder Gabriel ausgestellt gewesen, die auf der Aussage des Waidhofener Lehrers Georg Sellwanger beruhten und wegen derer der Hohenwarter Friseur Schröffer befragt wurde. Auch weitere Unterlagen dazu waren ausgestellt, u. a. die Abschrift der Aussage der ehemaligen Magd Maria Mißel von 1937, die später wegen falscher Anschuldigenen in einer anderen Sache verurteilt worden war, das wiederum wurde in Sachen Hinterkaifeck 1953 dokumentiert.

    Zu sehen war auch eine Plakette der Königlichen kriminal Schutzmannschaft 101 München.

    Auch ein Foto des Tatverdächtigen Anton Gump, der in den 50er Jahren verdächtigt wurde sowie das Schriftstück, das die Einsstellung des Verfahrens bestätigt, waren zu sehen.

    So, nun habe ich meines Wissens nach alle Exponate, die in Schaukästen ausgestellt waren, beschrieben. Nach meiner Erinnerung gab es noch irgendwo eine nachgestellte Polizeischreibstube, da finde ich nur gerade kein Foto davon, kann es also nicht mit Sicherheit sagen.

    Ich hoffe, ihr freut euch auf weitere Beschreibungen.